„Trennung aufheben“

Ömer Erzeren über sein Blatt „perșembe“, das Selbstvertrauen türkischer Immigranten und seine konservativen Konkurrenten

taz: Den Titel der ersten Ausgabe von perșembe ziert ein modernes Mädchen, das dem Leser die Zunge herausstreckt. Frech, selbstbewusst und attraktiv – ist das Bild Programm?

Ömer Erzeren: Eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass das Mädchen den Mittelfinger ausstreckt. In erster Linie wollten wir Selbstvertrauen ausdrücken. Und dass wir uns nicht in der Opferrolle sehen, sondern als Bürger bei den politischen Debatten in Deutschland mitzureden haben.

Findet das in den etablierten türkischen Medien nicht statt?

Türkische Massenblätter wie Hürriyet, Milliyet oder Sabbah arbeiten vor allem an einem vorwiegend fiktiven Bild der türkischen Gesellschaft. Hürriyet beispielsweise hat, was die Kolumnen anbelangt, eine erstaunliche Bandbreite – von ganz rechten bis ganz linken Stimmen sind hier alle Meinungen vertreten, obwohl die Zeitung generell eher nationalkonservativ orientiert ist. Die konkreten Belange von in Deutschland lebenden Türken fallen aber dabei doch häufig unter den Tisch. Gewisse Diskussionen innerhalb der türkischen Community in Deutschland kommen in diesen großen Blättern natürlich nicht zur Sprache.

Und die werden auch in deutschen Zeitungen nicht abgehandelt?

Hier werden türkische Migranten noch immer als homogene Gruppe rezipiert, für die das Mütterchen mit Kopftuch als beliebtes Beispiel herhalten muss. Das ist natürlich ein Fehler: Gewiss gibt es auch eine große Gruppe von Muslimen, doch spiegeln sie keineswegs die gesellschaftlichen Realitäten etwa einer modernen türkischen Großstadt wider. Als Bürger wirklich ernst genommen werden hier nur die angepassten Migranten.

Wie wollen Sie das ändern?

Indem wir für Transparenz sorgen und dabei auch kulturelle Bruchstellen nicht aussparen. Daher auch unsere Zweisprachigkeit: Interessierte Deutsche sollen ebenso einen Einblick gewinnen wie die türkischen Leser.

Ist ihr „Wunschleser“ der türkische Intellektuelle?

Nicht nur, sondern auch Migranten der zweiten oder dritten Generation, die auf deutschen Schulen sozialisiert wurden. Viele haben dennoch die Erfahrung gemacht, ausgegrenzt zu werden.

Uns geht es darum, die künstliche Trennung von deutschem und türkischem Alltag aufzuheben, zu zeigen, dass ich als Bürger in diesem Land auch etwas verändern kann. Wir wollen dazu beitragen, die Integration beider Realitäten voranzutreiben. INTERVIEW: ARNO FRANK