Nicht ohne mein Wörterbuch

Die neue deutsch-türkische Wochenzeitung „perșembe“ wird ein echter Beitrag zur Multilingualitätder taz-Leser. Vor allem aber sehen die Macher das Blatt als Gegenpol zur etablierten türkischen Presse

BERLIN taz ■ „Jogurt“ und „Kiosk“ – ja, und natürlich „Döner“ – das sind bislang die einzigen Wörter türkischer Herkunft, die es in den deutschen Wortschatz geschafft haben. Vielleicht werden es bald ein paar mehr, wenn ab heute jeden Donnerstag das Wochenblatt perșembe der taz beiliegt, denn die Zeitung erscheint konsequent zweisprachig. Wer alle Texte lesen möchte, muss des Türkischen und des Deutschen mächtig sein – ein echter Beitrag zur Multilingualität der taz-Leser.

Die deutschen Sprache um ein paar orientalische Vokabeln zu bereichern ist aber sicher nicht die vorrangige Absicht, die hinter der ambitionierten Neugründung perșembe steht – der Name bedeutet übrigens „Donnerstag“, und meint den Erscheinungstag der Beilage. Die Blattmacher verfolgen einen hehren Anspruch aus alten taz-Tagen: Gegenöffentlichkeit schaffen. Denn die größte Migrantengruppe in Deutschland, die türkische Community, kann zwar schon lange auf ein vielfältiges Angebot an deutschen und türkischsprachigen Medien zurückgreifen, aus denen sie sich informiert. Dennoch wird die türkische Medienlandschaft immer noch von jenen Großverlagen dominiert, die schon in den Siebzigern den Schritt von der Türkei aus auf den deutschen Markt gemacht haben und diesen seitdem unter sich aufteilen. Die türkischen Tageszeitungen Hürriyet, Milliyet und Sabah erscheinen in Deutschland mit so genannten Europa-Ausgaben, die durch Sonderseiten erweitert werden, in denen dann über deutsche Innenpolitik, die Erfolge türkischer Unternehmer oder Jubiläumsfeiern türkischer Folklorevereine berichtet wird. Insgesamt aber dominiert der Blickwinkel aus der Türkei. Die Redaktionslinie der deutschen Ausgabe wird in Istanbul festgelegt, die Mitarbeiter in Deutschland steuern ihre Berichte aus der Ferne bei und fungieren quasi wie Korrespondenten im eigenen Land.

Meinungsmacht in Istanbul

Seit die Dogan Media Gruppe (DMG), der größte Medienkonzern der Türkei, zum Jahresanfang die Druck-und Vertriebsrechte der Hürriyet-Europaausgabe übernahm, beherrscht sie auch hierzulande 70 Prozent des türkischen Pressemarkts. Ihre beiden Flaggschiffe, die Tageszeitungen Hürriyet und Milliyet, konkurrieren um die Meinungsführerschaft im innertürkischen Diskurs in Deutschland.

Das bedeutet auch, dass die Meinung zu innenpolitischen Themen in Deutschland vornehmlich in Istanbul gemacht wird. Zu berüchtigter Prominenz hat es dabei etwa der Hürriyet-Kolumnist Ertug Karakullukcu gebracht, der seine aktuellen Kommentare stets mit Schaum vor dem Mund schreibt – beim Beschimpfen von „Vaterlandsverrätern“ wie Cem Özdemir oder notorischen Kritikern türkischer Kurdenpolitik, wie etwa Klaus Bednarz, beweist er stets beträchtliche Fantasie. Der Einfluss auf die türkische Medienkultur hierzulande zeigt sich zuletzt auch in Fragen der Unternehmensführung: Die türkischen Medien in Deutschland sind eine weitgehend gewerkschaftsfreie Zone, und Auflagenführer Hürriyet hat erst kürzlich die gesamte Belegschaft seiner Redaktionen in Deutschland vor die Tür gesetzt, um sie zum Unterschreiben neuerer, schlechterer Verträge zu bewegen.

Die bisherigen Versuche, dieser finanzstarken Medienmacht, aber auch dem freundlichen Desinteresse und Paternalismus deutscher Medien etwas entgegenzusetzen, waren bisher selten von Erfolg gekrönt. Allenfalls in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg oder dem Ruhrgebiet konnten sich lokal ausgerichtete Magazine behaupten. Überregionale Zeitschriftenprojekte von Deutschtürken für Deutschtürken, wie das im letzten Jahr mit großem Wirbel bundesweit gestartete Magazine Etap, setzten vor allem durch ihre extrem kurze Lebensdauer Maßstäbe.

Die Wochenzeitung perșembe ist nun die erste Publikation, die sich bundesweit an die deutsche wie die türkischsprachige Öffentlichkeit wendet mit dem Ziel, beide zu verschränken – ein ganz neues Konzept. Der jüngste Satellit der taz erscheint nach dem gleichen Modell wie die Lokalausgaben in Hamburg, Bremen, Ruhr, Köln und Münster – als eigenständiges Produkt. Die Redaktion ist unabhängig, mit der taz besteht lediglich eine Druck- und Vetriebskooperation. Und natürlich eine Verbundenheit in Sympathie. In diesem Sinne: Kutlu olsun (alles Gute)! DANIEL BAX