K2/R4
: UnsicheresZeichen

Die EU-Kommission hat beschlossen, Atomkraftwerke aufzurüsten – außerhalb der eigenen Grenzen. Das ist schizophren: Innerhalb der Union will niemand mehr neue Reaktoren bauen. Und ein paar Kilometer weiter soll mit EU-Hilfe eine Ruine zu einem funktionierenden AKW aufgerüstet werden. Ausgerechnet die beiden Nachfolgereaktoren von Tschernobyl, bekannt als „K2/R4“, sollen nachgerüstet werden – bis ein „international akzeptables Sicherheitsniveau“ erreicht wird.

Kommentarvon MAIKE RADEMAKER

In der Ukraine mussten im vergangenen Winter vier von 13 Meilern wegen Finanzschwierigkeiten abgeschaltet werden. Der verbliebene Tschernobyl-Reaktor wird ständig an- und ausgeschaltet, Arbeiter lassen Teile aus AKWs mitgehen, weil sie keinen Lohn bekommen. Die beste internationale Technik hilft nichts, wenn der „Faktor Mensch“ nicht mitmacht, wenn kein Geld für ein „akzeptables Sicherheitsniveau“ da ist. Die hoch verschuldete Ukraine wird dieses Niveau auf Jahre hinaus nicht garantieren können.

Immerhin: Ein Schlupfloch hat die EU-Kommission sich gelassen: Die Unterstützung von Energieprojekten in der Ukraine müsse das Prinzip der Kosteneffizienz erfüllen. Konkret: Nicht nur richtig gut, sondern auch richtig billig müssen sie sein – das gilt auch für K2/R4. Richtig gut mag manch einer ja Atomkraft finden, aber richtig billig ist der Aufbau der AKWs sicher nicht. Damit schiebt die Kommission das Problem wieder zur Londoner Osteuropabank, die entscheidende Kredite dafür geben soll – und nun prüfen muss, ob Atomkraft die billigste Methode ist, die Ukrainer sicher mit Energie zu versorgen.

Was sowohl der vielköpfigen Kommission in Brüssel als auch der Regierung in Kiew fehlt, ist ein klarer, schneller Beschluss, der die wirtschaftlichen Realitäten in der Ukraine berücksichtigt. Und der kann nur heißen: keine AKWs in einem armen Land, dessen Bevölkerung noch immer unter den Folgen von Tschernobyl leidet. Genügend Geld für Energiesparprogramme, für ein Gaskraftwerk, wie die deutsche Bundesregierung das gerne hätte, und für andere Kraftwerke, die nicht gleich in die Luft fliegen, wenn irgendetwas mal kaputt geht.

Mit einem solchen Signal würde die EU-Kommission nicht nur den europäischen Unternehmen und Exporteuren ein sicheres Zeichen geben, sondern auch der Bevölkerung der Ukraine und angrenzender Länder. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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