Ohne Stallgeruch

Strohballen, Maulwurffußmatten und erigierte Türstopper: Fritz HeisterkampsAusstellung „Eselsstroh“ in der neu eröffneten Künstlerproduzentengalerie WBD

Heisterkamp macht es seinen Betrachtern nur zunächst leicht - tatsächlich hängt er die Fragen nach Qualität, Inhalt und Wert kopfüber

Auch Maulwürfe baggern. Nicht nur Löcher, sondern gerne auch am anderen Geschlecht. Auf Fritz Heisterkamps Fußmatte mit Dildotürstopper buddelt sich ein Maulwurfromeo seine aufgeblasene Brust frei, um seiner Maulwurfjulia auf einer Brüstung verliebte Blicke zuzuwerfen. Das kleine Konzeptkunstwerk heißt schlicht „Maulwurf“ und ist Teil der Ausstellung „Eselsstroh“. Stroh hängt tatsächlich in etlichen Ballen an Eisenangeln von den Wänden. Ein Maultier hätte es verdammt bequem, hier im Stehen ohne Verrenkungen am Stroh zu knabbern. Aber den Esel sucht man vergeblich. Der weiße Raum hat nicht einmal Stallgeruch. Soll er natürlich auch überhaupt nicht haben.

Wenn Heisterkamp nämlich Vogelhäuser aus Eisen oder Gehhilfen auf Rollen baut – wie er das mal getan hat –, Fußmatten entwirft oder Stroh bündelt, sehen diese Objekte auf den ersten Blick sehr real und nützlich aus. Wie eben der Fußabtreter mit Maulwürfen und Phallus. Aber wer möchte sich schon verletzt und wackelig auf Krücken abstützen, die einem unter den Armen wegrollen? Oder welcher Bauer würde sich die Mühe machen wollen, schwere Strohballen an aufwändig in der Wand verankerten Haken aufzuhängen, nur damit sein Vieh sich nicht mehr zu bücken braucht? Und mal ehrlich: Ein erigierter Penis vor der Wohnungstür schreckt doch jeden Besuch ab.

Schon ist man mittendrin in der Diskussion über den Sinn und Unsinn moderner Kunstproduktion. Heisterkamp macht es seinen Betrachtern zunächst leicht, indem er ihnen Dinge an die Hand gibt, die schnell zu verorten sind. Die weiteren Optionen der Betrachtung bestehen dann darin, sich – wie die Zeitgenossen von Marcel Duchamps zur Kunst erklärtem Pissoir – verarscht zu fühlen, herzhaft zu schmunzeln oder wissend festzustellen: Der Mann stellt sich schlicht die Sinnfrage, spielt mit Wahrnehmungen und Reaktionen, um letztlich, ja, den Kunstbetrieb, die Fragen nach Qualität, Inhalten und Wert erneut auf den Kopf zu stellen bzw. aufzuhängen. Wer hier nicht sehen will, hat kein Brett, sondern Stroh vorm Kopf.

Nicht ohne Grund stellt Heisterkamp daher auch in der neuen Künstlerproduzentengalerie WBD (Wand und Boden und Decke) aus. Noch bis Ende des Jahres sollen sich in den beiden Räumen der Galerie im schnellen Wechsel Künstler präsentieren, die ihren ganz eigenen Umgang mit den Erwartungen im Kunstbetrieb haben. Schon der Name des Ortes weist auf mehrere Facetten des Kunstaustausches: „Wand und Boden“ hießen einmal die samstäglichen Ausstellungskritiken der taz, worauf der Name nach Angaben der Macher kunstbetriebsintern anspielt. Wand, Boden und Decke sind aber auch einfach die Begrenzungen des white cube, des jungfräulich reinen Ausstellungsraums. Ob die Galerie mit der Abkürzung WBD neben dem WMF darüber hinaus einen Platz in der Berliner Clubkultur einnehmen wird, ist noch nicht entschieden. Im Pressetext steht jedenfalls: „Das Programm der Institution ist offen für individuelle Entwicklungen.“ PETRA WELZEL

Bis 17. 9., Fr., Sa., So. 15–19 Uhr;WBD, Brunnenstr. 9, Mitte