Mit dem Zivilrecht gegen Neonazis

Die nordamerikanische Neonazi-Truppe „Aryan Nation“ ist in einem Zivilprozess zu Schadensersatz in Höhe von 6,3 Millionen Dollar verurteilt worden. Erstritten wurde dieses Urteil von einer unabhängigen antirassistischen Bürgerrechtsgruppe

aus Washington PETER TAUTFEST

Am Donnerstag hat ein Gericht in Idaho die „Aryan Nation“, eine von Amerikas größten und ältesten Neonazi-Gruppen, zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 6,3 Millionen Dollar verurteilt. Damit ist dem Southern Poverty Law Center (SPLC), einer antirassistischen Bürgerrechtsvereinigung in Alabama, und ihrem Anwalt Morris Dees erneut gelungen, erfolgreich das Instrument des US-Zivilrechts zu benutzen, um rassistische Gruppen in den Bankrott zu treiben.

Die Verurteilten Richard Butler und sein Sicherheitschef Michael Teague können zwar Berufung einlegen, müssen dafür aber zunächst Geld in Höhe des Urteils als Bürgschaft hinterlegen. Vermutlich wird der Gründer der „Aryan Nation“ und Elder Statesman der amerikanischen Neonazis, Richard Butler, der sich Pastor der „Christlichen Kirche der Christen“ nennt, seine bewegliche und unbewegliche Habe verkaufen müssen, um das Geld aufzubringen. Zum Vermögen der Gruppe gehört auch der Name „Aryan Nation“, den Dees erwerben will, damit ihn niemand mehr benutzen kann.

Dem Verfahren liegt ein Vorfall aus dem Jahre 1998 zu Grunde. Victoria Keenan und ihr damals 18-jähriger Sohn Jason waren auf dem Heimweg von einer Hochzeit, als ihr Wagen nahe dem Übungsgelände der „Aryan Nation“ eine Fehlzündung hatte. Wachen der „Aryan Nation“ glaubten einen Schuss gehört zu haben, sprangen in einen Pick-up und verfolgten ballernd die beiden. Der Wagen wurde getroffen, landete im Graben. Die Insassen wurden an Haaren herausgezogen, misshandelt und bedroht. Mit dem Urteil von Ceour D'Alene in Idaho hat Morris Dees ein weiteres Mal Erfolg gehabt, Neonazi-Gruppen durch zivilrechtliche Urteile in den finanziellen Ruin zu treiben. 1987 erwirkte er ein Schadenersatzurteil von 7 Millionen Dollar gegen eine Ortsgruppe des Ku-Klux-Klan in Alabama, deren Mitglieder einen schwarzen Jugendlichen umgebracht hatten; 1990 erwirkte er 12,5 Millionen Dollar Schadenersatz gegen die „White Aryan Resistance“ (WAR) wegen eines Mordes, den zwei Jugendliche in Portland, Oregon, an einem afrikanischen Flüchtling begangen hatten – bei den Mördern war Agitationsmaterial der WAR gefunden worden.

„Die Rechtslage in Deutschland ist anders,“ sagt Mark Potok, ein Anwalt des SPLC, der taz, „das heißt nicht, dass die Deutschen nicht vieles von dem übernehmen können, was wir hier machen. Unser Vorteil ist, dass wir eine private Gruppe sind und keinerlei politische Rücksicht nehmen müssen.“ Stärke des SPLC ist seine Unabhängigkeit, sagt Potok. „Wir haben 123 Millionen Dollar auf der Bank und ein Netz von 45.000 Spendern.“ Davon leistet sich das SPLC eine Ermittlungsabteilung aus erstklassigen und geschulten Rechercheuren und zieht Erkundigungen ein über Organisationen, Personen und Vorfälle. In ihrer Zeitschrift Intelligence Report enttarnt sie Mitglieder von Nazi-Organisationen in Polizei und Special Forces, ihre oft sensationellen und für manchen peinlichen Ergebnisse greifen Presse und Fernsehen auf. „Wir haben uns ganz bewusst im politischen Mainstream positioniert, anders als deutsche Antifa-Gruppen, die am Rande der Gesellschaft stehen.“ Für Potok gibt es keinen Grund, warum es in Deutschland eine Organisation wie das SPLC nicht geben könnte. „Sie wäre gegen Neonazis erfolgreicher als der Staat und ein Verbot.“

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