Guineas Präsident jagt Flüchtlinge

Dem westafrikanischen Land droht eine Ausweitung der Bürgerkriege in den Nachbarländern. Vertriebene aus Liberia und Sierra Leone werden für Angriffe an den Grenzen verantwortlich gemacht, und ein führender Oppositioneller steht vor Gericht

von DOMINIC JOHNSON

Der guineische Präsident Lansana Conté hat zur Jagd auf ausländische Flüchtlinge in seinem Land aufgerufen und damit eine Fluchtwelle ausgelöst. In einer Rundfunkansprache hatte Conté die Vertriebenen aus Liberia und Sierra Leone beschuldigt, Mitverantwortung für die jüngsten Angriffe im Grenzgebiet des westafrikanischen Staates zu tragen. „Ich befehle, dass wir alle Ausländer zusammenbringen, sodass wir wissen, was sie tun, und dass wir sie durchsuchen und alle Verdächtigen festnehmen“, sagte Conté. Nach Berichten des Radiosenders BBC machte sich in der Hauptstadt Conakry Panik breit, als Polizisten und Jugendgruppen begannen, dem Befehl Folge zu leisten. Sie trieben Ausländer zusammen und sperrten Hunderte von ihnen ein. Rund 3.000 Bürger Sierra Leones retteten sich auf das Gelände ihrer Botschaft in der Metropole.

Der Aufruf des Präsidenten erfolgt zu einem Zeitpunkt, wo die bewaffneten Konflikte der Nachbarländer Sierra Leone und Liberia schon begonnen haben, auf Guinea überzugreifen. Seit Anfang des Monats häufen sich zumindest nach amtlicher Darstellung bewaffnete Zwischenfälle an den Grenzen des Landes. Hinzu kommt, dass in diesen Tagen einer der skandalösesten politischen Prozesse Afrikas in Guinea zu Ende geht und droht, das Regime, das ihn angezettelt hat, zu destabilisieren.

Vor Gericht steht Oppositionsführer Alpha Condé. Das Urteil gegen den Führer der Oppositionspartei „Versammlung des guineischen Volkes“ (RPG) wird in den kommenden Tagen erwartet – damit geht ein fünfmonatiges Verfahren zu Ende, das in seinem Verlauf immer mehr zur Farce wurde. Condé und 47 Mitangeklagte sind wegen „Gefährdung der Autorität des Staates und der territorialen Integrität“ angeklagt und müssen zum Teil mit lebenslanger Haft rechnen.

Condé war in der Nacht zum 16. Dezember 1998 an der Grenze Guineas zur Elfenbeinküste verhaftet worden – kurz nach den Präsidentschaftswahlen vom 14. Dezember 1998, bei denen er gegen Amtsinhaber Lansana Conté auf einem respektablen dritten Platz gelandet war. Als Haftgrund wurde damals „illegale Ausreise“ angegeben – die Landesgrenzen Guineas waren wahlbedingt geschlossen. Dann landete Condé in einem Hochsicherheitsgefängnis und der Staat fabrizierte eine 1.200 Seiten lange Anklageschrift, die ihn zum Anführer einer internationalen bewaffneten Verschwörung zum Sturz des guineischen Präsidenten stilisierte.

Während des Prozesses, der im April vor einem Militärgericht begann, wurde das präzisiert: Condé habe mit dem Führer des radikalen Flügels der sierraleonischen Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front), Sam „Moskito“ Bockarie, Söldner aus Liberia und Burkina Faso angeheuert, um eine Armee zu bilden, die mit Unterstützung des liberianischen Präsidenten Charles Taylor aus Liberia in Guinea einmarschieren und die Macht ergreifen sollte.

Als Zeugen führte der Staat im Prozess mehrere Liberianer vor, die behaupteten, zu diesen Söldnern zu gehören, und die sich zugleich als Angehörige einer mit Guineas Regierung verbündeten Oppositionsmiliz zu Liberias Präsident Taylor darstellten – ein eklatanter Widerspruch, der Condés Anwälte in ihrer Strategie bekräftigte, das Verfahren zu boykottieren. Condé selbst weigerte sich, zu den „imaginären“ Vorwürfen gegen ihn Stellung zu nehmen. Am 16. August beantragte die Staatsanwaltschaft gegen Condé und 40 Mitangeklagte lebenslange Haft; die Plädoyers der Verteidigung endeten letzte Woche, und nun wird täglich mit dem Urteil gerechnet.

Das Verfahren ist international kritisiert worden, weil es nicht mehr üblich ist, dass Präsidenten nach einem Wahlsieg ihre Gegner einkerkern. Und indem Guineas Präsident einen seiner wichtigsten innenpolitischen Gegner in eine Reihe mit Liberias Präsident Taylor und Sierra Leones RUF-Rebellen stellt, macht es die Bürgerkriege Sierra Leones und Liberias zu Bestandteilen der guineischen Innenpolitik. Das ist riskant, denn das Dreiländereck Guinea – Liberia – Sierra Leone ist eine der explosivsten Regionen Afrikas. In Guinea leben 125.000 Flüchtlinge aus Liberia und 330.000 aus Sierra Leone. Anfang August nahm im Norden Liberias eine angeblich aus Guinea einmarschierte bewaffnete Gruppe den Kampf gegen Liberias Präsidenten Taylor auf; der Norden Sierra Leones, der an Guinea grenzt, ist fest in Händen der dortigen RUF-Rebellen. Guinea könnte der Ort sein, wo sich die Konflikte dieser Region Westafrikas bündeln und außer Kontrolle geraten.