Melbourne grüßt Seattle

Australische Aktivisten belagern das Treffen des asiatisch-pazifischen Weltwirtschaftsforums. Etliche Konzernführer kommen zu spät zu ihren Diskussionen über die Globalisierung. Die Aktion ist Auftakt zu Protesten gegen die „Spiele der Konzerne“

von SVEN HANSEN

Tausende Globalisierungsgegner haben gestern im australischen Melbourne gegen das dortige asiatisch-pazifische Treffen des Davoser Weltwirtschaftsforums demonstriert. Ausgerechnet im Crown Casino, das Australiens reichstem Tycoon Kerry Packer gehört, wollen bis Mittwoch 850 Politiker, Konzernchefs und Manager aus der ganzen Welt über die Globalisierung im Internetzeitalter diskutieren. Die Demonstranten forderten ein Ende neoliberaler Wirtschaftspolitik, die Streichung der Schulden der Entwicklungsländer und eine Schließung asiatischer Betriebe mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen.

Seit dem Morgen versuchte eine wachsende Zahl von Demonstranten die Zugänge zum festungsartig gesicherten Casino am Yarra-Fluss im Zentrum zu blockieren. Nach Veranstalterangaben konnte ein Viertel der Teilnehmer das Gebäude nicht erreichen. Etliche kamen zu spät oder erreichten den Tagungsort nur per Boot oder Hubschrauber. Westaustraliens Premier Richard Court wurde in seinem Wagen von Demonstranten umringt. Sie schlitzten die Reifen auf, tanzten auf dem Dach und besprühten das Fahrzeug mit Parolen. Erst nach 20 Minuten konnte die Polizei Court befreien.

Mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die 2.000 Beamte einsetzte. Etliche Personen wurden verletzt, zwei verhaftet. Insgesamt waren die Proteste jedoch weitgehend friedlich. 70 Demonstranten besetzten kurzzeitig das Büro des Melbourne Herald, um gegen dessen Berichte zu protestieren.

Das Treffen in Melbourne ist ein regionaler Ableger des jährlich im schweizerischen Davos stattfindenden Weltwirtschaftsforums. Dort kam es im Januar zu Protesten, die von den Demonstrationen gegen den Gipfel der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle inspiriert worden waren und zu dessen Scheitern beigetragen hatten. An dem Forum in Melbourne nehmen Microsoft-Chef Bill Gates, Siemens-Boss Heinrich von Pierer, der von Peking protegierte Hongkonger Nachwuchs-Tycoon Richard Li sowie zahlreiche australische Konzernführer teil.

Ihnen gegenüber steht eine Allianz namens „S11“, was für den gestrigen 11. September steht. Darin sind linke Splittergruppen, Grüne, Gewerkschafter, Studenten, Christen, Lesben und Schwule organisiert. Selbst Anhänger der chinesischen Sekte Falun Gong beteiligten sich am Protest. Heute wollen die Gewerkschaften für „neue nationale und internationale Standards zur Regulierung multinationaler Konzerne“ demonstrieren, wie Gewerkschäftsführer Leigh Hubbard ankündigte.

Auf ihren Internetseiten (www.s11.org, melbourne.indymedia.org) feierten die Demonstranten ihre Aktionen gestern als Erfolg. Steve Bracks, Premier des Bundesstaates Victoria, bezeichnete einige der Demonstranten dagegen als „unaustralisch“. Das Forum in Melbourne war bewusst vor die am Freitag in Sydney beginnende Olympiade gelegt worden. Auch die Demonstranten sehen ihren Protest als Auftakt zu Aktionen während der „Spiele der Konzerne“, wie sie die Olympiade nennen.