Muhammad Ali gegen 65 Europäer

Auf der Klimakonferenz in Lyon wird mit mehr Problembewusstsein verhandelt. Europäer präsentieren gute Vorschläge, sind aber unflexibel. USA hinken beim Klimaschutz hinterher und wollen Wälder im Ausland als CO2-Senken anerkannt haben

von MAIKE RADEMAKER

Pünktlich zu der europäischen Debatte über Sinn und Unsinn hoher Benzinpreise begann gestern im französischen Lyon offiziell die Klimaschutz-Konferenz der Vereinten Nationen. Auf dieser letzten Tagung vor der entscheidenden Klimaschutzkonferenz COP 6 im November in Den Haag wollen über 2.000 staatliche und nichtstaatliche Vertreter aus 150 Ländern erneut versuchen, in heiklen Punkten eine Einigung zu finden. Zentrale Punkte der Konferenz, die vergangene Woche mit informellen Gesprächen angefangen hatte, sind die Sanktionen, die angewendet werden sollen, wenn Länder ihre Klimaziele nicht verwirklichen, und die Frage, wie neu gepflanzte Wälder – die Kohlendioxid binden – in den Industrieländern auf das Klimaziel angerechnet werden.

Den Verhandelnden attestierte Christoph Bals von der Entwicklungsorganisation Germanwatch ein zu früher vergleichsweise „erhöhtes Problembewusstsein“. So sei das Verhandlungsdokument über die Anrechnung der Wälder als Kohlendioxidsenken von 100 auf 10 Seiten geschrumpft. „Gleichzeitig haben aber auch alle Länder dazugelernt, wenn es um Strategien geht, wie Beschlüsse torpediert werden können“, sagte Bals. Weiterhin versuchten vor allem die erdölexportierenden Länder wie Saudi-Arabien, mögliche Beschlussfassungen zu blockieren. Die Europäische Union, die mit 65 Delegierten zur Konferenz anreisten, wies laut Bals zwar ein starkes Positionspapier auf, sei aber in den Verhandlungen wenig flexibel. „Die Delegation reagiert auf Attacken der USA wie auf einen Schlag des jungen Muhammad Ali – sie denken nach, wo es jetzt weh tut, während der Kontrahent schon wieder ausholt“, beschrieb Bals das Problem der Europäer. Diese möchten sich gerne mit den USA, Kanada und Japan darauf einigen, dass die Hälfte der angestrebten Reduktionsziele durch Maßnahmen im eigenen Land erzielt werden.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin hatte zum Auftakt der Gespräche die USA aufgefordert, ihre Gesprächsverweigerung zu überdenken und konstruktive Vorschläge zu den europäischen Vorschlägen zu machen. Die USA haben ihren Ausstoß gefährlicher Treibhausgase laut dem UN-Sekretariat für die Klimakonvention nicht im Griff: Sie liegen weit über dem Niveau von 1990. Nach dem Kioto-Protokoll müssen die USA ihre Emissionen bis 2010 um sieben Prozent senken. Die USA wollen deshalb im Protokoll festhalten, dass auch die Anpflanzung von Wäldern im Ausland auf die Reduzierung angerechnet wird.

Offen ist noch, welche Sanktionen gegenüber nachlässigen Klimaschützern eingeführt werden sollen. Im Gespräch sind Bußgelder oder die Zurücklegung von Emissionsrechten wie eine Art Kredit. „Wenn man sich wirklich auf Sanktionen einigen kann, gibt es damit neben der Welthandelsorganisation das erste stringente Durchsetzungssystem gegenüber Staaten“, erläuterte Anja Köhne vom Deutschen Naturschutzring.