„Die Länder kommen nicht nach“

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion fordert eine Diskussion darüber, ob die Bundesländer genug für die Schulen tun. Der Zustand vieler Universitäten und Schulen ist inzwischen so, „dass man am liebsten gleich wieder rausgehen möchte“

Interview CHRISTIAN FÜLLER

taz: Als bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion besuchen Sie gewiss öfter Schulen und Hochschulen. In welchem Zustand sind die Bildungseinrichtungen?

Stephan Hilsberg: Sehr unterschiedlich. Manche machen einen sehr guten Eindruck. Andere sind so, dass man am liebsten gleich wieder rausgehen möchte. Der bauliche Zustand ist oft schlecht.

Warum ändert die Regierungspartei SPD daran nichts?

Wir verändern schon. Die Mittel für den Hochschulbau sind seit unserem Amtsantritt von 1,8 auf über 2,2 Milliarden Mark gestiegen. Gerade bringt Bildungsministerin Bulmahn eine neue Zukunftsinitiative für die Hochschulen ins Parlament – mit einem Umfang von 650 Millionen Mark. In die Forschung haben wir so viel investiert, dass kaum ein Bundesland mit seinen Mitteln nachkommt.

Sie meinen das Prinzip, dass die Länder genauso viele Mittel in den Hochschulbau stecken wie der Bund?

Ja, aber es geht nicht nur um solche Kofinanzierungen. Wenn wir über Bildung sprechen, dann meinen wir nicht nur Hochschulen und gemeinsam finanzierte Forschungsinstitute, sondern auch die Schulen. Für die ist der Bund, wie immer man das auch bewerten mag, nicht verantwortlich. Gleichwohl hängt die Qualität unseres Bildungssystems natürlich von der Ausstattung der Schulen ab.

Niemand streitet ab, dass diese Regierung es geschafft hat, die Bildungsausgaben wieder zu erhöhen. Das verbessert aber den beklagenswerten Zustand noch nicht, dass viele Schulen und Hochschulen einen geradezu unappetitlichen Eindruck machen und der Unterricht darin oft ausfällt.

Niemand kann zaubern. Da würde man die Möglichkeiten der Länder überschätzen. Wir gehen inzwischen sogar daran, mit 200 Millionen Mark die Infrastruktur in den Berufsschulen zu verbessern – obwohl das nicht unser Job ist.

Wünscht sich Stephan Hilsberg als Vater schulpflichtiger Kinder nicht auch, dass die Erneuerung der Bildungseinrichtungen schneller vorangeht?

Die Frage der Geschwindigkeit ist für mich nicht die vorrangige. Es geht um die generelle Entwicklung eines zukunftsfähigen Bildungskonzepts für Schulen und Hochschulen. Und wenn Sie mich schon nach der Schule meiner Kinder fragen: Gerade in einer Stadt wie Berlin sind doch die Bildungschancen für Jugendliche aus einfachen Verhältnissen das Thema und die Chancen derer, die aus so genannten Ausländerfamilien stammen. Viele Eltern machen die Erfahrung, dass selbst der gute Ruf einer Schule heute überhaupt keine Garantie mehr dafür ist, dass ihre Kinder dort hervorragende Bedingungen vorfinden. Bildungsfragen dringen daher zunehmend ins Bewusstsein der Menschen.

Vielleicht wäre es für die Menschen im Land schon ein wichtiges Zeichen, ihre Kinder wieder in schöne Schulen schicken zu können, in denen Unterricht tatsächlich stattfindet?

Jeder muss vor seiner Haustür kehren. Der Bund hat gezeigt, dass es möglich ist, deutlich mehr Geld für Bildung zur Verfügung zu stellen. Jetzt brauchen wir die Diskussion darüber, ob die Länder für die allgemeinbildenden Schulen eigentlich genug tun.

Sie haben eine Jahrhundertchance. Mit den Erlösen, die aus der Versteigerung der UMTS-Mobilfunkfrequenzen stammen, könnten sie 5 Milliarden Mark investieren. SPD und Grüne wollen mit einem Großteil dieses Geldes Interregio-Gleise fit machen – weil deren Zustand nicht mehr erträglich sei. Den Bildungseinrichtungen geht es nicht anders. Warum diese Prioritätensetzung?

Wir dürfen die Politikfelder nicht gegeneinander ausspielen. Verkehr ist wichtig, vor allem in Ostdeutschland. Da haben wir gewaltige Infrastrukturaufgaben.

Jürgen Möllemann von der FDP steht schon bereit. Er erhält zunehmend Beifall für seine Idee, die Schulen mit einem Kraftakt in Ordnung zu bringen – jetzt sofort.

Man sollte Populismus nicht mit Populismus bekämpfen. Herr Möllemann soll sich zuerst mal in seiner eigenen Partei durchsetzen.

Der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer schlägt vor, mit den UMTS-Milliarden eine Art Bildungsstiftung zu gründen. Mit den Zinsen will er in Schulen dauerhaft und präventiv dem Rechtsextremismus vorbeugen.

Was Christian Pfeiffer vorschlägt, trifft sicher einen Teil des Problems Rechtsextremismus. Ob das mit einer Stiftung gelöst werden muss, ist eine ganz andere Frage. Die 200 Millionen Mark, die jährlich aus Dividenden des Stiftungskapitals frei würden, können auch so zur Verfügung gestellt werden. Der Staat sollte die Gestaltungsmöglichkeiten, wie er den Rechtsextremismus bekämpfen kann, nicht aus der Hand geben.