Kein Freundschaftsbesuch

Mit einem Leck im Kühlsystem erreichte ein britisches Atom-U-Boot den Hafen von Gibraltar. Dort soll es jetzt trotz aller Proteste und Gefahren repariert werden

MADRID taz ■ Neugierig und zugleich ängstlich spazieren die Einwohner der britischen Kronkolonie Gibraltar Abend für Abend zum Hafen. Dort liegt ein ganz ungewöhnliches Schiff vertäut, das Atom-U-Boot HMS „Tireless“. Anders als bei früheren Gelegenheiten handelt es sich nicht um einen Freundschaftsbesuch der Royal Navy. Das lange graue Ungetüm ist kaputt. Es erreichte am 19. Mai mit einem Schaden im Kühlsystems des Reaktor mit Müh und Not den Hafen von Gibraltar. Jetzt hat die britische Regierung allen Protesten zum Trotz den Befehl gegeben, die „Tireless“ in Gibraltar zu reparieren. Bei den 31.000 Einwohnern der Kronkolonie und den knapp 300.000 Anwohnern auf der spanischen Seite der Grenze macht sich Angst breit.

Nichts weiter als einen zwei Millimeter großen Riss habe das Kühlsystem. „Den hätte man mit einem Daumen abdichten können“, versucht Mike Walliker, der Kapitän des Bootes, die Bevölkerung zu beruhigen. Zwar sei ein Teil des 300 Grad heißen, unter Hochdruck stehenden radioaktiven Dampfes in das Meer entwichen, doch sei die Strahlenbelastung dabei nie über erlaubte Grenzwerte gestiegen. „Das war nichts weiter als ein Tropfen im Mittelmeer“, meint Walliker.

Für Juan Clavero, Sprecher der Umweltgruppe Ecologistas en Acción in der Provinz Cádiz, ist dies alles „Schwachsinn“. „Der Riss im Reaktor ist von allerhöchster Gefahrenstufe“, weiß er zu berichten. Der Unfall gehöre zwar nur der Alarmstufe drei an. Doch Clavero ist sich sicher, dass bei der Reparatur das Risiko eines Uranaustritts besteht. Das wäre dann Alarmstufe sechs, die gleiche wie beim Unfall in Tschernobyl.

„Die Reparatur wird mindestens ein Jahr dauern“, erklärt Kapitän Walliker. Zu diesem Zweck soll das entsprechende Material nach Gibraltar transportiert werden. Ein Transport des U-Bootes in einen britischen Hafen, wie ihn Umweltschützer und Bürgermeister aus der Umgebung verlangen, sei zu gefährlich, heißt es aus dem Londoner Verteidigungsministerium.

Deshalb wurde der Hafen Gibraltar von der Regierung Blair kurzerhand von der Besuchskategorie Z zum Hafen X und damit zum Reparaturhafen für Reaktoren umgestuft. Und das ganz ohne Katastrophenplan. In ihren drei Atomhäfen geht die Navy von einer Evakuierungszone von 100 Kilometern aus. Im Falle von Gibraltar wären das zwei Millionen Menschen in drei Ländern: die britische Kolonie, Spanien und Marokko. Umweltschützer und Kommunalpolitiker mobilisieren nicht nur gegen die Reparatur der „Tireless“. Sie befürchten, dass London den Hafen von Gibraltar – einmal umgestuft – als Atom-Reparaturhafen beibehalten könnte. REINER WANDLER