Badekappen in Bewegung

Ausgetanzte Reflexionen: Ein Abend der Jungen Choreographen bei den Tanztagen im Pfefferberg

Im Süden sind die Nachmittage weiß, und auch ein kleines bisschen rot – so rot wie Wein, sagt die Spanierin Trinidad García Espinosa. Sie rollt dabei die Augen, hebt den Finger, als würde sie der Welt von etwas so Wichtigem wie der Entdeckung der Antimaterie künden, und schaut forschend ins Publikum. Dann tanzt sie weiter.

Das Stück „. . . und fertig ist das Mondgesicht“, das am Dienstag und Mittwoch bei den Tanztagen im Pfefferberg zu sehen war, zeigt Absurd-Komisches, bebildert Traumsequenzen aus der Kindheit und spielt mit der Geometrie von Kandinskys Malerei. Hüpfer und Sprünge, Übereinanderkullern, Synchronwellen und technisch klare Schrittfolgen lassen auf der Bühne ein dynamisches Bewegungsfeld entstehen, das mit anderen künstlerischen Ausdrucksformen kooperiert: Im Bühnenhintergrund sitzt eine Sängerin im weißen runden Pappkreis und intoniert russische Weisen. Als sie, angezogen von der Dynamik des Feldes, aus ihrem Kreis heraustritt und mitmachen will, wird sie von der Tänzerin auf ihren Platz verwiesen. Da hat es die Malerin gut: Sie darf an verschiedenen Punkten des Raumes schwarze Linien auf weiße Flächen malen, ganz im Sinne Kandinskys.

Der Abend der „Jungen Choreographen“ präsentierte fünf verschiedene Stücke im Pfefferberg. Die kurzen prägnanten Stücke, deren Länge die Fünfzehn-Minuten-Grenze nicht überschreitet, kommen als spritzige Unterhaltung daher. Schnell und kraftvoll werden Phantasien und Reflexionen ausgetanzt, lustig ist dies, wie in Nina Homolkas „Flusspunkte – Punkte im Fluss“. Hier tauchen fünf Tänzerinnen im blauen Adidas-Dress und mit gelben Badekappen auf dem Kopf in die Untiefen der allzu strengen Tanztechnik. Die Karikatur sitzt, Tanz als unerbittliches Regelsystem, das den Körper des Tänzers zum ausführenden Organ einer formalen Idee degradiert, wird unterlaufen. Dennoch bezieht das kurze Stück seine Stärke aus der – ironisierten – Technik, die man den Bewegungen nur allzu deutlich ablesen kann. Auch Todora Kujovic stellt ihr Duett, das das Mann-Frau-Verhältnis befragt, in den Dienst der sauber ausgeführten Bewegung. Zu harter Elektronik von Aphex Twin sucht sie die Sprache indischen Tempeltanzes und ägyptischer Hieroglyphen.

Der Abend der „Jungen Choreographen“ zeigte, wie sehr die Künstler sich von ihrem Lehrmaterial zu lösen bereit sind und mit welch erstaunlicher Spielfreude sie die Möglichkeiten körperlichen Ausdrucks annehmen. Für die Entwicklung eines tragenden Bewegungszusammenhangs, der ihren Stücken etwas unwiderruflich Eigenständiges verleihen könnte, fehlt allerdings noch ein wenig Zeit, Erfahrung, langer Atem vielleicht. Einzelne Figuren, die vorderhand nur an der – schnell wahrgenommenen und ebenso schnell wieder vergessenen – Oberfläche des ästhetischen Moments operieren, könnten durchaus noch etwas vertieft werden. Bedenkt man aber, dass die Künstler sich noch in der Ausbildung befinden – Nina Homolka, Todora Kujovic und Nicole Baumann an der Schule für Bühnentanz „balance 1“, Karin Wickenhäuser an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und Mevlana van Vark an der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik –, so kann man optimistisch und neugierig auf die weißen Nachmittage in Berlin hoffen.

JANA SITTNICK

Tanztage im Pfefferberg, noch bis zum 26. 9., Schönhauser Allee 176, Mitte