USA bremsen Europas Autofahrer

Der Ölpreis fällt nicht – zu gering war die Erhöhung der Opec-Förderquoten. Abhilfe würde irakisches Öl bringen, doch die USA halten am Embargo gegen den Irak fest. Nach den Präsidentschaftswahlen aber könnten die Karten neu gemischt werden

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die Londoner City wird lahm gelegt, Paris ist gerade wieder befahrbar, und in Deutschland droht die Autolobby ebenfalls mit einem Verkehrsinfarkt. Sprit soll billiger werden, fordert sie, wenn nicht durch fallende Rohölpreise, dann eben durch Steuersenkungen.

Die Hoffnung auf fallende Rohölpreise können sich die Autofahrer und Regierungschefs der EU-Staaten erst einmal abschminken. Trotz der Opec-Ankündigung, die tägliche Ölfördermenge ab 1. Oktober um 800.000 Barrel zu erhöhen, hat der Höchstpreis am Ölmarkt bislang nicht nachgegeben. Dazu müsste es nach Meinung aller Experten schon eine etwas höhere Dosis sein, die auf die Märkte gepumpt wird, doch selbst Saudi-Arabien ist offenbar kurzfristig nicht dazu in der Lage.

Dabei wäre das Öl da, es wird nur nicht genutzt. Das Land mit den größten Reserven nach Saudi-Arabien, der Irak, darf nach wie vor nur einen kleinen Teil seiner Kapazitäten auf den Markt bringen. Die von der UNO gegen den Irak im Anschluss an den Golfkrieg verhängten Sanktionen sahen zunächst ein generelles Ausfuhrverbot für irakisches Öl vor. Erst seit Dezember 1996 darf der Irak im Rahmen des Programms „Oil for Food“ eine jeweils für einen bestimmten Zeitraum vom Sicherheitsrat der UN genehmigte Menge Öl ausführen und dafür Lebensmittel, Medikamente und andere dringend benötigte Konsumgüter einführen. Laut Opec-Generalsekratär Rilwanu Lukman produziert der Irak zur Zeit 3 Millionen Barrel am Tag, könnte die Menge aber leicht erhöhen.

Doch der UN-Sicherheitsrat hat kein Interesse. Obwohl die für das „Oil for Food“-Programm verantwortlichen UN-Mitarbeiter allesamt beklagten, dass die Einnahmen aus den Ölverkäufen nicht ausreichen, um die Not der irakischen Bevölkerung zu lindern, weigert der Sicherheitsrat sich, die Sanktionen gegen Bagdad zu lockern. Verantwortlich dafür sind vor allem die USA, unterstützt von Großbritanien. Während Russland und China, aber auch Frankreich schon länger auf eine Aufhebung oder zumindest eine Lockerung der Sanktionen drängen, bleibt Washington stur.

Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die amerikanische Haltung längst nichts mehr mit dem ursprünglich vorgesehenen Zweck der Sanktionen zu tun hat. Saddam Husseins Position wurde nicht nur nicht erschüttert – vielmehr solidarisierte die Bevölkerung sich mit ihrem Diktator gegen den Druck von außen. Zudem sind sich alle UN-Beobachter einig, dass unter den Sanktionen lediglich die Bevölkerung leidet. Dass die USA trotzdem am Irak-Boykott festhalten, hat strategische Gründe. Solange das irakische Öl nicht auf den Markt kommt, kann Saudi-Arabien in Absprache mit den USA im Wesentlichen den Markt kontrollieren. Ohne die irakischen Reserven ist vor allem Saudi-Arabien in der Lage, kurzfristig den weltweiten Ölausstoß in einem Umfang zu erhöhen oder zu drosseln, dass damit eine Preiskontrolle erzielt werden kann. Diese Schlüsselstellung wollen die Saudis erhalten – und die USA unterstützen sie darin.

Die spannende Frage ist jetzt, ob die amerikanische Position sich durch die Präsidentschaftswahlen im November verändern könnte. Äußerungen des US-Sonderbeauftragten für Ölgeschäfte, Botschafter John Wolf, lassen vermuten, dass ein Präsident Gore die Politik Clintons fortsetzen wird. Spannender wird es bei einem Präsidenten Bush junior. Der Bush-Clan ist bekanntermaßen mit der amerikanischen Öl-Industrie eng verflochten und dieser zu mancher Gefälligkeit verpflichtet. Die US-Ölkonzerne aber wollen zurück in den Iran und auch mit dem Irak wieder ins Geschäft kommen. Die Karten im Nahen Osten könnten neu gemischt werden.