Vielleicht mal am Sparen sparen

Der Staat soll weniger Geld ausgeben und Schulden abbauen. Aber man kann’s auch übertreiben

BERLIN taz ■ „Raus aus der Schuldenfalle!“, proklamierte Hans Eichel bei der Vorstellung seines Haushalts. Das klingt, als wäre Deutschland ein Entwicklungsland unter der Knute des Weltwährungsfonds. Doch niemand widerspricht.

Bis 2006 will Eichel die jährliche Neuverschuldung auf null bringen. Aus gutem Grund, schließlich geht jede sechste Mark des Bundes allein für Zinszahlungen drauf. Das Wirtschaftsinstitut RWI rechnet schon vor, dass 2031 alle Altschulden abbezahlt sein könnten.

Das setzt aber den „harten Sparkurs“ voraus, für den die Regierung quer durch alle Lager gelobt wird. Sparen mag im Grundsatz richtig sein – doch man kann es auch übertreiben. Zwar steckt dahinter der Wunsch, die Steuerentlastungen mitzufinanzieren und so die Wirtschaft anzukurbeln. Wenn alles gut läuft, bringt die boomende Wirtschaft mehr Steuern und saniert wiederum die klammen Staatskassen.

Doch wenn der Staat im ersten Schritt weniger ausgibt, bremst das zunächst die Konjunktur. Nach Jahren des Sparens sind viele Möglichkeiten, die Bürokratie effektiver zu machen, aufgezehrt. Immer mehr wird daher bei den Investitionen gespart – seit 1994 gingen die öffentlichen Ausgaben für Bauten, Forschung, Lehre oder Infrastruktur um ein Viertel zurück. Auch in Eichels Finanzplan sollen die Bundesinvestitionen bis 2002 um satte 10 Prozent sinken – auf 52 Milliarden Mark.

Auch Länder und Gemeinden werden weiter auf Investitionen verzichten müssen. Von der Steuerentlastung aus der großen Steuerreform in Höhe von 45 Milliarden Mark ab nächstem Jahr muss der Bund nämlich nur auf knapp die Hälfte der Einnahmen verzichten. Die übrigen 23 Milliarden müssen Länder und Gemeinden schultern. Konkret wird das auch den Stellenabbau im öffentlichen Dienst weiter antreiben.

So wirkt die Steuerreform, die 2001 wirksam wird, zwar konjunkturfördernd, das Sparen davor und danach aber bremsend. „Ein finanzpolitisches Wechselbad“, urteilt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dessen Experten halten zwar die Steuerreform im Prinzip für richtig, betonen aber, das „auch die öffentliche Infrastruktur ein wichtiger Standortfaktor“ sei. „Es wäre fatal“, heißt es im DIW-Bericht zum Haushalt, „wenn die Wachstumsimpulse, die in der Steuerreform angelegt sind, durch Kürzungen auf der Ausgabenseite konterkariert würden.“ Fazit: Zusätzliche Steuerentlastungen seien gegenwärtig abzulehnen.

Immerhin kann die Regierung die UMTS-Erlöse zur Schuldentilgung einsetzen. Damit lassen sich Zinszahlungen vermeiden, und die Investitionsbilanz lässt sich noch etwas aufhellen: 1,2 Milliarden Mark sollen in die Forschung gehen, 2 Milliarden ins Schienennetz.

Doch solche Gesichtspunkte finden in der Bundestagsdebatte bislang kaum Beachtung, genauso wenig wie die Probleme einiger Ressorts – wie des Auswärtigen Amts –, mit ihren Sparvorgaben klarzukommen. Mangels überzeugender Konzepte reitet die Opposition auf der Ökosteuer herum und fordert gar deren Abschaffung. Das wiederum würde die Frage aufwerfen, wie dann die Rentenkasse ausgeglichen werden soll, in die derzeit die Ökosteuererlöse fließen. Für die Rentenreform braucht die Regierung die Zustimmung der Opposition. Deren Forderungen, wie die Rückkehr zur Rentenanpassung an die Lohnentwicklung, treiben die Ausgaben eher in die Höhe. Überhaupt bildet die Rente das größte Haushaltsrisiko. Und Kompromisse zwischen den großen Parteien kosten den Staat, siehe Steuerreform, bekanntlich Geld. M. URBACH