Sind so viele Fragen

Zum Start der neuen Diskussionsreihe „Metropoly“ palaverten fünf Debattenprofis im Haus der Kulturen der Welt um die heißen migrationspolitischen Themenfelder herum

In den USA betonen gerade die Minderheitenlobbys ihre kulturelle Differenz. In Deutschland tickt der Diskurs anders

Stolze Zahlen trug Tatiana Lima Curvello vom „Verband binationaler Ehen und Partnerschaften“ in ihrer knappen Einleitungsrede vor: Schon jetzt entsprängen gut 30% aller neu Geborenen in Deutschland nicht mehr klassisch deutsch-deutschen Ehen. Und in Berlin, der Hauptstadt der Vermischung, wiesen gar 48% der Kinder zumindest ein Elternteil nichtdeutscher Herkunft auf. Multikulturalität dürfte also bald den Normalzustand bezeichnen, auch hierzulande – höchste Zeit also für die Debattenreihe „Metropoly“, mit der im Haus der Kulturen der Welt künftig, auf Initiative des Verbands, in loser Folge über das wechselhafte Verhältnis von Einwanderern und Mehrheitsgesellschaft diskutiert werden soll.

Vielleicht muss man aber warten, bis die beschriebene Generation groß geworden ist, damit sich das Niveau solcher Veranstaltungen hebt. Die zum Auftakt geladenen Debattenprofis redeten jedenfalls strikt um die heißen Themen herum und gefielen sich vielmehr in Selbstinszenierungen. Marieluise Beck, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, gab die emphatische Politikerin, rechnete die neue Vielfalt gegen den Muff der geschlossenen Gesellschaft der Fünfzigerjahre auf und sang ein Loblied auf die real existierende Multikultur, die man aber ja nicht zu statisch sehen sollte.

Ihre routinierte, mit großen Gesten unterstrichene Schaufensterrede reizte zum Widerspruch. Den Gegenpart übernahm die Publizistin Katharina Rutschky, die gerne mehr über real existierende Konflikte gesprochen hätte. Doch da sie selbst keine benennen wollte oder konnte, blieb es beim angedeuteten Widerspruch, heikle migrationspolitische Felder wie der multikulturelle Schulalltag, die Rolle des Spracherwerbs oder das Verhältnis von Staat und Religion wurden den gesamten Abend über nicht angetastet.

So mäanderte die gesamte Debatte am Thema vorbei, das da lautete: „Minderheitendiskurs“ versus „Die Interessen des Einwanderungslandes Deutschland“. Für Letzteres, etwa für eine Quote für qualifizierte Arbeitskräfte, mochte sich niemand aus der Runde stark machen, und als Fürsprecher des Minderheitendiskurses erwies sich Safter Cinar, der Sprecher des Türkischen Bundes, als denkbar ungeeignet. Er wollte den Begriff der Minderheit ausdrücklich nicht als juristische Kategorie verwendet wissen, und verwahrte sich dagegen, alles auf eine Frage der Herkunft reduzieren zu wollen – so stark, dass sich Robert Goldmann schon zu wundern begann. Schließlich, so der amerikanische Gast auf dem Podium, seien es in den USA gerade die Interessenvertreter der Minderheitenverbände, die den kulturellen Unterschied gerne überbetonten, als Argument für ihren ethnischen Lobbyismus.

Doch in Deutschland tickt der Diskurs eben ganz anders, kreist etwa um den Begriff der „Leitkultur“, den Marieluise Beck ablehnte, und lieber durch den kühlen Verfassungspatriotismus als geteilten Bezugsrahmen ersetzt sehen wollte – ein Plädoyer, mit dem sie ihre Kontrahentin Katharina Rutschky sofort auf ihrer Seite hatte. Ob der allerdings als Bindemittel für die Bundesrepublik ausreicht, wagte Rutschky zu bezweifeln. „Ich traue der deutschen Gesellschaft nicht“, bekannte sie mit Blick auf Roland Kochs Hessen, und Safter Cinar überbot sie noch in seinem Pessimismus: „Ich traue keiner Gesellschaft“. Bei dieser fatalistischen Aussicht blieb es dann.

Am Ende durfte jeder aus dem Publikum noch seine Standpunkte und Fragen ins Standmikrophon sprechen, ohne dass dem Podium die realistische Chance blieb, auf nur eine davon eingehend zu antworten. Sind halt so viele Fragen, und so eingespielt die Rituale im Haus der Kulturen der Welt. DANIEL BAX