Grundlos verdächtigt

Atomforscher Wen Ho Lee wurde als chinesischer Spion angeklagt – und weitgehend freigesprochen

Die jüngste Blamage der US-Regierung trägt einen chinesischen Namen: Dr. Wen Ho Lee. Er wurde verdächtigt, ein Spion zu sein – zu Unrecht, wie jetzt das Bezirksgericht in Albuquerque, New Mexiko befand. 59 Anklagepunkte sollten den Wissenschaftler für den Rest seines Lebens hinter Gitter verbannen. Doch nur in einem einzigen bekannte er sich schuldig, alle anderen erwiesen sich als haltlos. Ergebnis: Er wurde zu ganzen 278 Tagen Haft verurteilt, die er schon im Untersuchungsgefängnis abgesessen hat.

Dem zuständigen Bezirksrichter James Parker war die Anklage der US-Regierung peinlich. Er entschuldigte sich bei Lee für die „unfaire Behandlung“ und warf dem Justizministerium vor: „Sie haben unsere ganze Nation und jeden einzelnen unserer Bürger beschämt.“ Der Richter bestätigte damit, was Kritiker seit der Verhaftung vermuteten: dass schlichter Rassismus zu den Verdächtigungen führte. Denn für den Vorwurf von Staatsanwaltschaft und Regierung, Lee sei ein chinesischer Spion, gab es nur einen einzigen Anhaltspunkt: seine taiwanische Abstammung.

Lee, längst Amerikaner, arbeitet seit 1980 im Forschungszentrum für Atomwaffen in Los Alamos. Dort war er zuständig für die Computersoftware, die zur Herstellung der Testwaffen benutzt wurde.

Lee empörte sich nicht nur über den Vorwurf, den er stets bestritt, sondern auch über die Methoden der Vernehmung: 1999 habe ihn das FBI stundenlang verhört, bedroht, belogen. Und in der Tat wurde von der Ermittlungsbehörde wahrheitswidrig behauptet, ein Test mit dem Lügendetektor habe seine Schuld erwiesen. Dabei war, wie die Akten beweisen, eindeutig das Gegenteil der Fall: Der Detektor hatte nicht ausgeschlagen.

Doch trotz des weitgehenden Freispruchs: Die genauen Hintergründe des Falles bleiben unklar. Denn Fakt ist auch, dass sieben Datenträger mit sensiblem Material verschwunden sind. Und Lee gab immerhin zu, dass er von einem ungesicherten Computer Informationen der nationalen Verteidigung heruntergeladen hat. Allerdings habe er nie beabsichtigt, die vertraulichen Informationen an Dritte weiterzugeben.

Während seiner neunmonatigen Untersuchungshaft wurde Lee massiv von Sympathisanten unterstützt. Sie schickten Briefe an Kongressabgeordnete, sammelten Unterschriften und richteten eine Website ein. Nach dem Prozess warteten 200 Freunde und Unterstützer vor seinem Haus. Ihnen teilte der erleichterte Wen Ho Lee mit, dass er jetzt erst mal fischen geht – „und nichts mehr von Spionage hören“ will. COSIMA SCHMITT