DIE SPENDENAFFÄRE IN HESSEN FÖRDERT RECHTES DENKEN
: Verrottetes System

Kaum ist der Sommer vorbei, schon bröckelt die Einheitsfront gegen die rechtsradikale Gewalt. Nicht zufällig war es Roland Koch, der als Erster ausbrach, indem er den Medien eine hysterische Übertreibung der Gefahr vorwarf und im Wirtshaus für eine Rückkehr aus der europäischen Verwirrung zur nationalen Identität plädierte.

War es nicht derselbe Koch, der mit seiner populistischen Kampagne gegen den „Doppelpass“ die Ausländerfeindlichkeit geschürt und damit die Wahlen in Hessen gewonnen hatte? Und versucht er nicht, mit dem Vorwurf der „Medienhysterie“ seine Verwicklung in den Spendenskandal zu vertuschen, der einem diffusen Misstrauen gegen das politische System Nahrung gegeben hat – und weiter gibt, weil er nicht aufgeklärt wird?

Statt eine reinigende und die Demokratie stärkende Wirkung zu provozieren, verursacht dieser in seiner Tiefe unaufgeklärte Skandal Politikverdrossenheit und fördert rechtes Denken in den vordemokratischen Kategorien von Männerfreundschaft, Treue und Ehre. Dabei hätte die aufklärerische Botschaft ein Imperativ sein können, unter dem im demokratischen Verfassungsstaat das Parteienprivileg steht: „Die politische Macht muss unter transparenten Bedingungen, im offenen Streit der Meinungen und in der freien Konkurrenz der Optionen zur Lösung der Zukunftsfragen der Gesellschaft erworben werden und sich bei ihrer Ausübung diskursiv rechtfertigen!“

Da die CDU sich zu dieser Botschaft bisher nicht durchgerungen hat und in Hessen ihre unrechtmäßig zustande gekommene Macht nicht aus den Händen geben will, bestätigt sich das rechte Weltbild, wonach das verhasste System verrottet ist und die da oben ohnehin machen, was sie wollen.

Es reicht nicht, wenn SPD, Grüne, der Zentralrat der Juden und die Medien den Rücktritt von Koch fordern. Wenn die CDU ihre Selbstaufklärung und den Kampf gegen rechts ernst nimmt, muss sie sich dieser Forderung anschließen und ihren Hoffnungsträger zurückziehen. Nach längerer Reue, Buße und Besserung kann er ja in die politische Arena zurückkehren. MARTIN ALTMEYER

Der Autor ist promovierter klinischer Psychologe undOrganisationsberater in Frankfurt