Ford lässt Daewoo stehen

Die südkoreanische Autobauer sind höher verschuldet als vermutet. Ford erteilt Absage. General Motors noch interessiert an Übernahme. Ruf nach Verstaatlichung ertönt erneut

TOKIO/SEOUL taz ■ Am Freitag sind neue Zweifel über den Fortgang der südkoreanischen Sanierungsbemühungen für überschuldete Familienkonglomerate aufgekommen. Der US-amerikanische Autokonzern Ford Motors hat sich nach einer zweimonatigen Prüfung des angeschlagenen Autobauers Daewoo Motors entschieden, kein bindendes Kaufangebot einzureichen. „Im Interesse von Daewoo, Ford und ihrer Aktionäre ist die Abgabe eines Übernahmeangebots nicht möglich“, erklärte Fords Vizevorsitzender Wayne Brooker.

Im Juni hatte sich Ford in einem Bieterverfahren gegen die zwei Konsortien GM/Fiat und DaimlerChrysler/Hyundai mit einer relativ hohen Offerte von 7,7 Billionen Won (15,55 Mrd. DM/109,34 Mrd. Schilling) als exklusiver Verhandlungspartner mit den Gläubigern von Daewoo qualifiziert. Schon zwei Monate später sickerte in der südkoreanischen Wirtschaftspresse durch, dass Ford im Laufe der Bilanzprüfung (due diligence) von Daewoo einige „Leichen im Keller“ aufgestöbert hatte, die den ursprünglich gebotenen Preis nicht mehr gerechtfertigten.

Vor allem die Überseeoperationen des zweitgrößten südkoreanischen Autobauers waren höher verschuldet als angenommen. Der geplatzte Autodeal ist für die großangelegten Wirtschaftsreformen der südkoreanischen Regierung ein schwerer Rückschlag. „Der Verkauf von Daewoo Motors wurde als Muster für die Veräußerung anderer überschuldeter Unternehmen an ausländische Investoren betrachtet“, erklärte Mark Barclay, Autoanalyst von Samsung Securities in Seoul. Auf jeden Fall sei die Sanierung der Daewoo-Gruppe, die vor einem Jahr mit einer Schuldenlast von über 80 Milliarden Dollar zusammenbrach, nun wieder in Frage gestellt.

Die Seouler Börse reagierte mit einer Talfahrt um 3,4 % auf die Nachricht und notierte zum Handelsschluss auf einem 18-Monate-Tief von 628,2 Zählern. „Das Vertrauen ausländischer Investoren in die Sanierungsbemühungen der südkoreanischen Familienkonglomerate wurde schwer erschüttert“, sagte Kim Joon-kie, Senior-Analyst von SK Securities in Seoul. Am schwersten betroffen sei die ohnehin angeschlagene Finanzindustrie, die nun mit höheren Problemkrediten rechnen müsse. Niemand gehe davon aus, dass bereits geplante Verkäufe von Unternehmen an ausländische Investoren noch termingerecht abgewickelt werden könnten.

Über die zukünftige Gangart für Daewoo Motors wollen die Gläubiger am Montag beraten. Eine Eröffnung des Bieterverfahrens werde im Vordergrund stehen, erklärte der Oh Hogen, der Sprecher des Sanierungskomitees. Außer der Veräußerung würden auch Möglichkeiten für strategische Investitionen in Daewoo Motors erwogen. Stimmen, die nach einer Verstaatlichung des Autobauers rufen, sind in Seoul ebenfalls wieder lauter geworden. Ein industrieller Investor steht noch: Der im ersten Bietgang unterlegene US-Konzern General Motors hatte erst am Donnerstag erklärt, dass er an einer Übernahme Daewoos interessiert bleibe. ANDRÉ KUNZ