INDONESIENS PRÄSIDENT WAHID REAGIERT AUF SEINE ART AUF ANSCHLÄGE
: Reinster Populismus

Ein bizarres und schreckliches Schauspiel wird derzeit in der indonesischen Hauptstadt gegeben: Eine Bombe explodiert im Herzen des modernen Geschäftsviertels von Jakarta und tötet 15 Menschen. Der Schock ist groß, und Präsident Abdurrahman Wahid wird scharf kritisiert, weil seine Regierung unfähig ist, dies zu verhindern. Da greift Wahid auf eine bewährte Taktik zurück: Er schafft Verwirrung. Ganz nebenher erzählt er beim Freitagsgebet in der Moschee zur Überraschung seiner Zuhörer, er habe die Verhaftung des umstrittenen Suharto-Sohns Tommy und eines muslimischen Aktivisten angeordnet. Er habe zwar keine Beweise für die Beteiligung der beiden an dem Verbrechen – aber die Verhaftung sei dennoch nötig, um weitere Anschläge zu verhindern.

Das ist reiner und schlimmer Populismus. Der Präsident baut darauf, dass der Sohn des Exdiktators als korrupter Geschäftsmann und arroganter Playboy bei der Bevölkerung tief verhasst ist. Schon die Vorstellung, ihn hinter Gittern zu sehen – egal wofür –, freut viele Indonesier. Außerdem glauben sie gern daran, dass die Suhartos hinter allem Übel stecken, dass ihnen derzeit widerfährt. Doch dann erscheint Tommy Suharto freiwillig am Samstag auf dem Polizeirevier und geht zwei Stunden später ebenso unbehelligt wieder nach Hause – schließlich hat die Polizei schon vorher erklärt, dass sie noch gar nicht gegen ihn ermittele. Auch der muslimische Aktivist bleibt auf freiem Fuß.

Wahid spielt ein gefährliches Spiel. Es zeigt, wie gering der Präsident Recht und Gesetz schätzt, obwohl er immer das Gegenteil behauptet. Statt dafür zu sorgen, dass Polizei und Gerichte ordentlich arbeiten können, wirft er Nebelkerzen. Auch unter Suharto genügte das Wort des Regierungschefs, um jemanden verhaften zu lassen – mit oder ohne Beweis. Als Wahid vor elf Monaten antrat, den Weg für ein demokratisches und rechtsstaatliches Indonesien zu bereiten, waren die Hoffnungen groß. Doch inzwischen wachsen wieder Zynismus und Angst vor neuem Machtmissbrauch. JUTTA LIETSCH