piwik no script img

Alt oder glücklich?

Sinnvolle Wege zur privaten Altersvorsorge. Die Rentenversicherung ist keine berauschende Anlageform. Vorschlag der Verbraucherzentrale

Wegen der zunehmend dramatischen Situation in der gesetzlichen Rentenversicherung wird die private Altersvorsorge künftig noch wichtiger. Prognosen gehen von deutlich steigenden Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und gleichzeitig reduzierten Rentenansprüchen aus. Das vom Arbeitsministerium erarbeitete Regierungskonzept sieht vor, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2030 auf maximal 22 Prozent des Bruttoeinkommens steigen soll. Um dies zu erreichen, müssen diejenigen, die ab 2011 in Rente gehen, planmäßige Rentenkürzungen hinnehmen.

Ein Rentenniveau von 64 Prozent soll zwar mindestens erhalten bleiben – das wären jedoch sechs Prozent weniger als das heutige Niveau von 70 Prozent. Um diese Lücke zu schließen, soll von den Bürgern private Altersvorsorge geleistet werden, wobei die Regierung von der Idee eines für alle verpflichtenden Sparens wieder abgerückt ist. In bestimmten Grenzen wird eine Unterstützung von staatlicher Seite vorgeschlagen. Gedacht ist dabei an einen Betrag von bis 300 Mark im Jahr für Ledige und 600 Mark für Verheiratete, für jedes Kind soll es zusätzlich 360 Mark im Jahr geben.

Die Hinwendung zur privaten Altersvorsorge als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung ist sicherlich notwendig und überfällig. Die geplanten Förderkriterien sind jedoch überarbeitungsbedürftig. So sollen nur Anlageformen staatlich gefördert werden, die erstens eine Nominalwertgarantie vorweisen können, bei denen also der Erhalt von jeder eingezahlten Mark in allen Fällen garantiert wird. Was gut klingt, ist es bei genauerem Hinsehen überhaupt nicht. Denn eine solche Garantie kostet viel Rendite, und ohne eine akzeptable Rendite bringt die private Vorsorge im Alter keine große Entlastung. Zweitens sollen geförderte Geldanlagen eine lebenslange, zumindest aber eine sehr lange Rentenzahlung bieten.

Beide Bedingungen bevorzugen völlig ungerechtfertigt den Bereich der Kapitallebens- und Rentenversicherungen. Kein Wunder, dass die Versicherungslobby Arbeitsminister Riesters Konzept Beifall zollte und es als „erstes wirklich innovatives Konzept der Altersvorsorge“ beklatschte. Der Vorschlag lässt jedoch unberücksichtigt, dass es eine Vielzahl von Anlagemöglichkeiten gibt, die für die private Altersvorsorge geeignet sein können. Abhängig von individuellen Faktoren wie bereits vorhandenem Vermögen oder Kenntnisse des Kapitalmarkts können ganz unterschiedliche Formen interessant sein, wie Investmentfonds, Anleihen und Aktien ebenso wie Bundesschatzbriefe, Sparbriefe, Sparpläne und – als eine Möglichkeit unter vielen – Kapitallebens- und Rentenversicherungen.

Es ist nicht sinnvoll, hier bestimmte Anlagen wie die Rentenversicherungen herauszuheben. Denn in der Vergangenheit waren die Renditen dieser Anlageform nun wirklich nicht berauschend. Auch scheint die Regierung die Förderung an das Erwerbseinkommen koppeln zu wollen. Nur wer vier Prozent seines Einkommens als eigene Altersvorsorge anlegt, bekommt die höchste Förderung. Wer zu wenig verdient, um so viel anlegen zu können, würde weniger an staatlichen Zuschüssen bekommen, obwohl gerade er sie besonders nötig hätte.

Um diese Ungleichbehandlungen zu vermeiden, schlägt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Einführung eines „Altersvorsorgekontos“ vor. Ein solches Konto sollten alle Menschen in Deutschland, also nicht nur die Erwerbstätigen, einrichten können. Auf dieses Altersvorsorgekonto würden die Einzahlungen fließen, welche die Kontoinhaber in eine Vielzahl von Anlagemöglichkeiten anlegen könnten. Zur Wahl sollten alle für die Altersvorsorge geeigneten Anlageformen stehen, die Bandbreite also von Sparprodukten des Bankbereichs über Lebensversicherungen bis hin zu Investmentfonds und unter bestimmten Voraussetzungen Anleihen und Aktien reichen. Der Staat hat berechtigterweise ein Interesse daran, dass das Risiko eines totalen Fehlschlags der Investitionen ausgeschlossen ist. Daher wird vorgeschlagen, nur solche Formen für die Anlage im Altersvorsorgekonto zuzulassen, deren Anbieter als Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen von staatlicher Seite beaufsichtigt oder die als Produkte im amtlichen Handel einer Börse gehandelt werden.

Zusätzlich sollte neben der Anlage in Bundeswertpapieren die Finanzierung einer eigengenutzten Immobilie möglich sein. Die staatliche Förderung würde zum einen darin bestehen, dass alle Gewinne, die innerhalb des Altersvorsorgekontos erzielt würden, nicht versteuert werden müssten. Voraussetzung dafür sollte sein, dass das angesparte Vermögen bis zum Rentenalter auf dem Altersvorsorgekonto bleibt. Zum anderen könnte der Staat ärmeren Bürgern dadurch die private Altersvorsorge ermöglichen, dass er ihnen Zuschüsse direkt auf das Altersvorsorgekonto überweist. Es bietet sich an, die Finanzierung der staatlichen Hilfen für die Altersvorsorge durch eine Streichung der bisherigen Steuerbegünstigungen für einzelne Produktarten wie beispielsweise die Kapitallebensversicherung vorzunehmen.

Ein solches Modell zur privaten Altersvorsorge hätte den Vorteil, dass alle Anlagemöglichkeiten steuerlich gleich behandelt würden. Damit wären zwischen den einzelnen Anlageformen faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt. Durch die Begrenzung der für das Altersvorsorgekonto zulässigen Anlageformen würde man außerdem dubiosen Anbietern das Wasser abgraben, die heute mit der Angst vor dem Alter ihre Geschäfte machen. Mit dem Altersvorsorgekonto würde allen Menschen in Deutschland die Möglichkeit geboten, mit staatlicher Unterstützung sinnvoll für das Alter vorzusorgen.

Die betriebliche Altersvorsorge kann in dieses Modell integriert werden. Last not least hätten die Anleger durch die Konzentration auf ein einziges Konto einen jederzeitigen Überblick über ihre für das Alter angesparten Mittel. PETER GRIEBLE

Der Autor ist Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Stuttgart

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen