Surrealismus statt Shareholder Values

■ Das Instituto Cervantes wird fünf, das Institut Français fünfzig Jahre alt. Mit dem gemeinsamen Kulturprogramm „50/5“ wollen sie in den beiden kommenden Monaten ihre Geburtstage feiern

Ach, diese Globalisierung. Macht nur Ärger: Die Weltbank regiert, alle müssen Coke trinken, Hamburger futtern und Börsenkurse lernen. Ständig soll man englisch babbeln und wer nicht weiß, was Shareholder Value bedeutet, ist doof. Aber: Globalisierung hat auch seine schönen Seiten. – Mir fällt nur nie ein Beispiel ein.

Wie gut, dass es da diese Pressekonferenz der beiden Bremer Kulturinstitute Institut Français und des spanischen Pendants Instituto Cervantes gegeben hat. Ersteres wird fünfzig, letzteres fünf Jahre alt, was die Institutsleiterinnen Daniela vom Scheidt und Susana Zapke in den kommenden Wochen mit einem gemeinsamen Kulturprogramm feiern wollen. Was so naheliegend klingt, ist so selbstverständlich nicht. Denn in der Vergangenheit waren die Kulturinstitute zumeist darauf festgelegt, ausschließlich die nationalen Kulturen in die Diaspora zu exportieren – Chansons für die Francophilen, Kastagnettenabende für die Spanienfans. Globalisierung sei Dank, so das Duo, ist das nun vorbei. Denn weit mehr noch als der zunehmend als beengend empfundende nationale Aspekt ist die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Kultur in den Mittelpunkt der Institutsarbeit gerückt. Das klingt gut, vor allem nicht nur nach Coke und Shareholder Value, und macht sich gut, wenn man Menschen findet, deren Biografie vor Augen führt, dass die Rede von der gemeinsamen europäischen Kultur mehr sein kann als ein intellektuelles Konstrukt.

Aufgewachsen in Madrid, vor der spanischen Diktatur Francos ins Pariser Exil geflüchtet, als Mitglied der kommunistischen Résis-tance von der Gestapo verhaftet und nach Buchenwald deportiert, später in Frankreich und Spanien für die spanische kommunistische Partei tätig, die ihn später wegen abweichlerischen Verhaltens aus der Partei ausschließt – eine solche Biografie sprengt jeden Versuch, sie nach nationalen Gesichtspunkten zu vereinnahmen. Heute lebt der blendend deutsch sprechende ehemalige spanische Kulturminister und Friedenspreisträger Jorge Semprún in Paris, wo er in französischer Sprache Romane schreibt. Zum Auftakt der Jubiläumsfeiern der beiden Kulturinstitute wird der 77-Jährige am 1. Oktober im Schauspielhaus einen Vortrag halten zum Thema „Milleniumsende – Jahrhundertanfang“ (11 Uhr).

Der zweite Protagonist europäischer Kultur mit franco-hispanischen Hintergrund im Festprogramm ist der Filmemacher Luis Buñuel. Dem 1983 in Mexiko verstorbenen Surrealisten ist im Oktober und November eine 13-teilige Filmreihe gewidmet, die im Kino 46 und im Institut Français zu sehen sein wird. Die Reihe mit in Originalfassung zu sehenden Filmen wie „Belle de jour“ oder „Le charme discret de la bourgeoisie“ wird komplettiert durch mehrere Vorträge zu Buñuels Werk sowie einer Ausstellung mit Fotografien und persönlichen Objekten des Künstlers, die vom 1.-29. Oktober im Foyer des Schauspielhauses gezeigt wird.

Neben diesen beiden großen Ereignissen planen die Institute zahlreiche weitere Veranstaltungen. So wird sich in der Villa Ichon eine Chile-Ausstellung des Fotografen DG Reiß mit der Pinochet-Ära beschäftigen (ab 7. Oktober), im frisch eröffneten Universum berichten eine Astronautin und ein Meeresforscher aus Frankreich von ihren Erlebnissen an den jeweils entgegengesetzten Enden der Welt (24. Oktober u. 20. November) und ein Symposium in der Galerie Rabus widmet sich dem Thema „Kunst in der Gegenwart“ (4./5. November).

Diverse Konzerte und ein großes Flamenco-Festival, bei dem der Gitarrist Paco Cepero und zahlreiche Sänger, Tänzer und Instrumentalis-ten aus der andalusischen Flamenco-Hochburg Jerez de la Frontera den Bremern abseits des Flamenco-Kitsches den „Flamenco Puro“ nahe bringen wollen (10.-12. November), runden das „50/5“-Geburtstagsprogramm ab. zott

Die genauen Termine sowie weitere Informationen zum umfangreichen Geburtstagsprogramm erfährt man beim Institut Français, Contrescarpe 19, unter Tel.: 33 94 40 und beim Instituto Cervantes, Schwachhauser Ring 124, unter Tel.: 34 40 90. Im Internet findet man die Institute unter www.kultur-frankreich.de bzw. www.cervantes.es .