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Wenn der Gasmann wieder klingelt

Der Energiemonopolist Gasprom soll dem Kreml Wladimir Gussinkis Holding Media-Most vom Hals schaffen

MOSKAU taz ■ Die Auseinandersetzung zwischen Medientycoon Wladimir Gussinski und dem russischen Gasgiganten Gasprom droht explosiv zu werden: Der Energiemonopolist kündigte den Einsatz „nichtfriedlicher Mittel“ an, sollte Gussinski nicht wie im Juli vertraglich vereinbart die Schulden seiner Holding Media-Most bei Gasprom bezahlen.

Schon im Juni war Gussinski unter Betrugsverdacht zunächst festgenommen worden. Nach massiven Protesten im In- und Ausland konnte der Inhaber des privaten Fernsehkanals NTW jedoch nach vier Tagen die Haftanstalt verlassen. Von vornherein stand fest, dass die Arrestierung des Medienmoguls eher der kritischeren Berichterstattung des Senders NTW galt: Mit der Affäre Gussinski eröffnete der Kreml eine groß angelegte Einschüchterungskampagne der noch nicht gleichgeschalteten Massenmedien.

Als Hebel benutzte der Kreml die Gläubiger der Most-Gruppe wie den Gasprom-Konzern, an dem der Staat praktischerweise 38 Prozent der Anteile hält. Insgesamt hatte Gasprom dem Medienimperium 473 Millionen Dollar geliehen, 211 Millionen Dollar hätten davon im Sommer zurückgezahlt werden müssen. Da die Media-Most-Gruppe die Schulden nicht bedienen konnte, übte der Kreml Druck auf den Gasgiganten aus, statt des Geldes die Aktienmehrheit an der Medien-Holding zu erwerben. Ein entsprechender Vertrag wurde am 20. Juli unterzeichnet.

Neben den Klauseln, in denen die Übernahme des weit verzweigten Medienimperiums geregelt werden, enthält er noch zwei bemerkenswerte Paragrafen: Im Tausch für das Unternehmen wird die Anklage wegen Betruges gegen Gussinski fallen gelassen und das Verbot, Russland zu verlassen, aufgehoben. Darüber hinaus verpflichtet sich der Unternehmer, seine Mitarbeiter von Äußerungen abzuhalten, „die der Verfassung schaden, die territoriale Unversehrtheit der Russischen Föderation gefährden und Einrichtungen der Staatsmacht diskreditieren können“.

Nach zwei Monaten Schweigen meldete sich Gussinski am Montag erstmals zur Sache: Er werde Media-Most nicht verkaufen und wappne sich stattdessen für eine schärfere Auseinandersetzung mit Kremlchef Wladimir Putin. Den Vertrag habe er nur unterschrieben, weil er mit „vorgehaltener Pistole“ gezwungen worden sei. Hätte er nicht eingewilligt, so Gussinski, wäre er wieder inhaftiert worden.

Das bestätigte auch NTW-Präsident Igor Malschenko: „Man hat uns mehrfach gedroht, Gussinski müsste ins Gefängnis, wenn er nicht einwilligt.“ Ein pikantes und entlarvendes Detail: Die Verhandlungen führte Presseminister Michail Lesin als Frontmann des Kreml. Seine Unterschrift steht unter den geheimen Zusatzklauseln.

Ein bemerkenswerter Vorgang: „Hat man die Verfassung geändert, ohne uns etwas davon zu sagen?“, fragt die Iswestija ironisch. Anders ließe sich nicht erklären, warum Grundrechte und Freiheit erst in Kraft treten, nachdem zwischen einem Bürger und einer Aktiengesellschaft ein Abkommen unterzeichnet wurde. KLAUS-HELGE DONATH

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