Heinrich-Böll-Stiftung zieht es nach Peking

Gehversuche der Bündnisgrünen in China sind eine Gratwanderung zwischen Menschenrechten und Umweltprojekten

PEKING taz ■ Die Heinrich-Böll-Stiftung entdeckt China. Erstmals tourten zwei Vorstandsmitglieder der Grünen-nahen Stiftung durch das Reich der Mitte und gaben gestern in Peking ihren Eindruck zu Protokoll: „Was hier geschieht, ist wichtig für die ganze Welt“, korrigierte der Bremer Ex-Senator Ralf Fücks die bislang China-skeptische Weltsicht seiner Partei. Mit Claudia Neusüß bildet er die Vorhut grüner China-Kundschafter für den im Dezember geplanten Erstbesuch von Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin in Peking. Bis dahin wollen die Grünen eine „kluge Gratwanderung“ zwischen Menschenrechtsprinzipien und der Verlockung von Umweltprojekten in China erreichen.

Doch schon im Vorfeld gab es Ärger. Chinas Behörden hatten ein Projekt zur Altstadtsanierung in der tibetischen Hauptstadt Lhasa gestoppt. Der dortige Projektleiter des von der Bundesregierung und der Böll-Stiftung unterstützten „Tibet Heritage Fund“ hatte nie einen Hehl aus dem gemacht, was ihm Chinas Behörden jetzt vorwarfen: nämlich „die Sache des Dalai Lamas zu betreiben“. Der Eklat zeigt die Schwierigkeiten der grünen Gratwanderung.

Einfacher ist der Umweltdialog. Umweltpolitik stehe in China „zumindest verbal“ hoch im Kurs, beobachtete Fücks. Auch mussten die Grünen nicht mehr das Totschlagargument hören, dass Wachstum und Armutsbekämpfung für ein Entwicklungsland wichtiger seien als Umweltpolitik. Darauf aufbauend hofft die Böll-Stiftung nun auf einem „neuen politischen Dialog mit China, für den die Grünen bislang nicht Schlange gestanden haben“.

Für Stadtentwicklungs- und Frauenprojekte stehen 1,6 Millionen Mark für die nächsten drei Jahre bereit. Mittelfristig will die Stiftung in Peking ein Büro eröffnen. Bis dahin wird den Grünen noch Leidensbereitschaft abverlangt werden. Denn bei jedem Gespräch von Fücks und Neusüß betonten die kommunistischen Gastgeber ihre Meinungsverschiedenheiten in Grundsatzfragen, bevor sie sich grünen Themen zuwandten.

JOHANN VOLLMER/GEORG BLUME