Bomben befreien Geiseln nicht

Auf den Philippinen sollen angeblich einige Jolo-Geiseln lebend gesehen worden sein

BANGKOK taz ■ Ein schnelles Ende der Offensive gegen die Abu-Sayyaf-Rebellen auf der südphilippinischen Insel Jolo ist nicht in Sicht: Bis gestern war noch keine der 22 Geiseln befreit worden, obwohl die Armee nach eigenen Angaben mehrere Abu-Sayyaf-Lager überrannt hatte. Nach Auskunft eines Regierungssprechers wurden einige der Entführten inzwischen lebend gesehen, darunter der 24-jährige US-Amerikaner Jeffrey Schilling. Die Geiseln würden von ihren in Gruppen aufgeteilten Kidnappern als lebende Schutzschilde von Versteck zu Versteck getrieben, heißt es. Außer Schilling werden zwei französische TV-Leute, drei Malaysier und sechzehn Einheimische festgehalten.

Zehntausende Bewohner aus dem Inneren der Insel sollen in Moscheen und Schulen Schutz suchen. Die Amtsärztin Nelsa Amin bat vergeblich um eine Feuerpause zur Versorgung von Verletzten. Offiziell gab es bisher erst vier zivile Opfer. Gerüchten zufolge flohen Abu-Sayyaf-Kommandos mit vom Lösegeld erworbenen Schnellbooten auf andere Inseln. Diese Informationen sind allerdings nicht zu überprüfen. Die Armee hat eine Nachrichtensperre verhängt. Flüge, Fähr- und Telefonverbindungen nach Jolo sind unterbrochen.

Kampfflieger bombardieren seit Samstag die Hochburgen der Abu Sayyaf, die zuletzt auf mehrere tausend Kämpfer geschätzt wurde. Fast fünf Monate hatte die Regierung in Manila mit den Kidnappern um „Commander Robot“ verhandelt, während Millionen an Lösegeldern für freigelassene Geiseln flossen und immer wieder neue Opfer entführt wurden. Schließlich verlor Präsident Estrada die Geduld.

Doch die Ankündigung, man werde die Abu Sayyaf mit einem Großangriff und Tausenden Soldaten in wenigen Tagen vernichten, ist wohl eine Selbsttäuschung. Fachleute warnen seit langem davor, Abu Sayyaf zu unterschätzen: Die Gruppe kennt die 900 Quadratkilometer große Insel wie ihre Westentasche. Das unwirtliche Terrain, Dschungel und Berge bieten viele Verstecke. Auch Satellitenbilder helfen nicht weiter, wenn Wolken und dichtes Grün die Sicht behindern. Auch können sich die Kidnapper auf die Hilfe vieler Dorfbewohner verlassen. General Delfin Castro, der in den Achtzigerjahren die südliche Militärregion befehligte, warnte inzwischen, der Angriff auf Jolo werde mindestens einen Monat dauern – „und das wäre schon außerordentlich schnell“.JUTTA LIETSCH