Deutsche Bahn sitzt Giftdeponie aus

■ „Extrem toxische Schadstoffe“ sickern aus alter Bahn-Deponie/ Bahn verweigert Sanierung / Grüne stellen Strafanzeige

Ganderkesee-Bookholzberg. Anzusehen ist es dem Gelände kaum: Zwischen dem dichten Baumbewuchs gibt es einige abgestorbene Bäume. Die alten Bahnschienen, von denen aus mehr als 40 Jahre lang Asbest, Öle und Fette, phosphorverseuchter Bauschutt, Kühlflüssigkeit, Munitionsreste, Öltanks, Karbitschlämme und arsenhaltige Bahnschwellen aus Güterwagen auf die Deponie gekippt wurden, sind größtenteils überwachsen. Dicht neben der Bahnlinie Bremen - Oldenburg bereiten riesige Maschinen gemächlich alten Bahnschotter auf, der später im Straßenbau seine Wiederverwendung findet.

Michael Sorg und seine Kollegen von der Ganderkeseer Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen befürchten trotz dieser Idylle „das Schlimmste“. Weil sie die Verzögerung einer Sanierung der 1990 geschlossenen Bahndeponie nicht länger hinnehmen wollen, haben sie diese Woche Strafanzeige gegen die Deutsche Bahn AG wegen des Verdachts auf fortgesetzte Straftaten gegen die Umwelt erstattet.

Der Grund: Trotz der bereits vor mehr als zehn Jahren durch das Kieler Institut Pieles/Gronemeier angemahnten Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr hat die Bahn AG keine Maßnahmen ergriffen, um Umweltgefährdungen durch die Deponie auszuschließen. Vielmehr nehme sie billigend in Kauf, heißt es in der Strafanzeige, dass durch Sickerwasser für Mensch und Tier gefährliche Giftstoffe aus dem Deponiekörper gelöst würden und ins Grundwasser gelangten. Das Institut hatte wegen der nachgewiesenen „zum Teil extrem toxischen Schadstoffe“ als Sofortmaßnahme eine Abdeckung gefordert. Die sollte verhindern, dass Niederschläge belastetes Sickerwasser in den Grundwasserbereich spülen. Die Brunnen im Abstrombereich der Deponie mussten geschlossen werden. Geschehen ist sonst nichts.

Im vergangenen Jahr kam die von der Bahn AG beauftragte Firma GEOdata, Garbsen, dann in einem erneuten Gutachten zu dem überraschenden Ergebnis, dass kaum noch Giftstoffe nachzuweisen seien. Die Bahn AG verweigerte beharrlich die Herausgabe der Messwerte. Diese hatte die Gemeinde durch das Kieler Institut für Umwelttoxikologie überprüfen lassen wollen. Grund ihrer Skepsis: Eine Befragung ehemaliger Deponiearbeiter durch eine Arbeitsgruppe des Gemeinderates hatte die Vermutungen bestätigt: Seit Anfang 1946 wurden die oben genannten Abfälle und vieles andere in die ehemalige Sandgrube gekippt. „Wenn sich die Giftstoffe nicht mehr in der Deponie befinden“, sagt Grünen-Ratsherr Dr. Manfred Rosenberger, „können sie nur in das darunter liegende Erd-reich geschwemmt worden sein.“

Genervt von der Verzögerungstaktik der Bahn bat der Gemeinderat dann auf Initiative der Grünen die Bezirksregierung Weser-Ems in Oldenburg um Hilfe. Im Mai rückte die Bahn AG tatsächlich das von ihr bestellte Gutachten aus 1999/2000 heraus. Dessen kritische Auswertung hinsichtlich des Deponieinventars, des Wasserhaushaltes, der Deponieausgasung usw. will die Behörde bis Oktober abschließen. Sie hat die Bahn AG aufgefordert, ein vollständiges Konzept für die beabsichtigte Rekultivierung und sonstige Vorkehrungen an und auf der Deponie zum Schutze der Allgemeinheit vorzulegen. Bahn-Sprecher Hans-Jürgen Frohns behauptet, das sei geschehen, und will zu den Vorwürfen mehr nicht sagen. Die Sprecherin der Bezirksregierung, Herma Heyken, kann die Vorlage eines Konzepts jedoch nicht bestätigen.

Mit der Strafanzeige wollen die Grünen jetzt den politischen Druck erzeugen, den sie für nötig halten, um die Bahn AG zu einem schnelleren Handeln zu bewegen. Sie wollen auf jeden Fall verhindern, was Michael Sorg befürchtet: Die Bahn AG könnte versuchen, die Sanierungskosten (allein die Abdeckung würde nach Bahn-Schätzungen 34 Millionen Mark kosten) einzusparen und das zentral gelegene Gelände gewinnbringend verkaufen. Das Gebiet ist als Siedlungsfläche ausgewiesen. Georg Jauken