Mehr Schutz für Organspender

In der Bundesrepublik steigt die Zahl der „Lebend“-OrganspenderInnen. Über die möglichen schweren gesundheitlichen Folgen von Explantationen werden die SpenderInnen jedoch nur unzureichend aufgeklärt.

In Deutschland geben zunehmend weniger Menschen ihre sterbenden Angehörigen als so genannte „Hirntote“ für Explantationen frei. Bei gleichzeitig erhöhter, durch Transplantationszentren lancierter Nachfrage hat dieser „Organmangel“ dazu geführt, dass der Anteil der Nieren-„Lebendspender“ drastisch gestiegen ist: Kamen 1995 bei uns etwa 4 Prozent der transplantierten Nieren aus diesem Spenderkreis, schnellte die Zahl bis 1998 bereits auf 14,7 Prozent hoch. Von den insgesamt 2.340 Nieren, die 1998 übertragen wurden, kamen 343 von Lebendspendern.

Laut 1997 in Deutschland verabschiedetem Transplantationsgesetz (TPG) ist die Entnahme und Übertragung so genannter Lebendspender-Organe nämlich nur gestattet, wenn zum Zeitpunkt der Transplantation kein „Leichen“-Organ verfügbar ist – und wenn der Spender nach festgestellter Eignung, Volljährigkeit und Einwilligungsfähigkeit „voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt wird“.

Trotz Aufklärung über mögliche Risiken dürfte aber den wenigsten Spendewilligen bekannt sein, welch schwere körperlich-seelische und soziale Folgen sie erwarten können: Allein für eine mittelfristige Gefährdung von Nieren-Lebendspendern werden Schätzwerte zwischen 5 und 50 Prozent für leichtere und zwischen 5 und 20 Prozent für schwere Folgen genannt. Auch wird von Kritikern betont, dass Nierenspender in der Regel mit einer Reduzierung der Erwerbsfähigkeit von 25 Prozent sowie vorzeitigem Verlust der Arbeitsfähigkeit rechnen müssen.

Sehr anzuzweifeln ist vor diesem Hintergrund eine Mitteilung der SPD-Bundestagsfraktion, der zufolge das Transplantationsgesetz „ganz erheblich dazu beitrage, dass die Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit aller Beteiligten das notwendige Vertrauen setzen können“, zumal ein solches Vertrauen für die Bereitschaft zur Organspende „unabdingbar“ sei. Starke Zweifel, ob es Ärzten, die dem Nichtschadensgebot verpflichtet sind, verfassungsrechtlich überhaupt gestattet ist, Menschen im Rahmen eines fremdnützigen Eingriffs derart schwer zu verletzten, äußert die Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Monika Knoche: „Ich denke, dass es ganz wichtig ist, sich in Erinnerung zu rufen, was der Auftrag der Medizin und der Chirurgie ist. Die eigentliche Problematik ist ja, dass die Medizin einem gesunden Menschen nicht regenerierbares Gewebe entnimmt. Und das ist die Grenzüberschreitung, die in der Transplantationsmedizin vollzogen wird.“

Die von Monika Knoche im Mai mit initiierte Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“, die eine Darstellung der Entwicklungen medizinischer Forschung sowie eine Untersuchung gegenwärtiger Forschungspraxis zur Aufgabe hat, wird sich auch mit den ethischen, verfassungsrechtlichen, sozialen, gesetzgeberischen und politischen Aspekten der Transplantationsmedizin befassen. Ziel dieser Kommission ist es, Kriterien für die Grenzen der medizinischen Forschung zu entwickeln, die das unbedingte Gebot zur Wahrung der Menschenwürde beinhalten.

Die Untersuchung wird daher auch prüfen, ob das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen so weit reichen darf, sich durch Explantation eines nicht regenerierbaren Organs für den Rest des Lebens irreparabel schädigen zu lassen. BETTINA RECKTOR