Liebe macht kühn

Der eigentliche Tummelplatz von Geschichten über wilde Ureinwohner und weiße Frauen ist nicht Australien, sondern Afrika. Hier spielt auch „Die weiße Massai“ von Corinne Hofmann. Das Buch erschien 1998 und stürmte die Bestsellerlisten – inzwischen sind eine halbe Million Exemplare verkauft. In acht Sprachen wurde das Werk übersetzt, ein Drehbuch ist in Arbeit.

Die Geschichte ist so einfach wie ergreifend: Blonde Schweizerin findet in Kenia ihren schwarzen Krieger, lässt alles stehen und liegen, um fortan mit ihm zusammen zu leben. Drei Jahre, eine Malaria, eine Hepatitis und eine Tochter später stellt sich heraus, dass der Massai leicht psychotisch und nur noch im Haschischrausch zu ertragen ist. Die weiße Frau kehrt samt Tochter in die Schweiz zurück. Mit diesem Rührstück wurde Autorin Corinne Hofmann zum Shootingstar der Buchbranche. Dabei wollte zunächst niemand ihr Buch verlegen: Nach zahlreichen Absagen erbarmte sich schließlich der Münchener A1-Verlag. Anfang 2000 erschien die Taschenbuchausgabe bei Knaur (462 Seiten, 18 Mark).

Heute tingelt die inzwischen Vierzigjährige von Talkshow zu Talkshow und gibt, mit Perlenkette angetan, Interviews. Von ihrem kenianischen Ehemann ist sie inzwischen geschieden, und sie will nach eigenen Verlautbarungen nie mehr nach Afrika zurückkehren. Ähnlich wie bei Betty Mahmoody („Nicht ohne meine Tochter“) in den Achtzigerjahren scheinen die Leserinnen in der „Weißen Massai“ ein Objekt ihrer verborgenen Ängste, Wünsche und Sehnsüchte gefunden zu haben. Literarischen Rang jedenfalls kann Hofmanns Werk kaum für sich beanspruchen.

Doch der Trend ist da. Titel wie „Tränen am Oubangui“, „Nirgendwo in Afrika“ oder „Die weiße Hexe“ verkaufen sich wie warme Semmeln. Was diesen Bücher gemein ist: Alles geschieht hier im Namen der Liebe. Man erträgt so vieles, um dem Angebeteten nahe zu sein: Hitze, Schmutz, Krankheiten, Krabbeltiere – schlicht alles, was gut situierte mitteleuropäische Frauen eigentlich grauenvoll finden müssten. Aber durch die Liebe verklärt sich alles und wird verstehbar. Vielleicht, weil es hier um echte Gefühle und echte Geschichten geht?

Was würde geschehen, wenn ein Mann ein Buch über seine „schöne Thai“ schriebe, die er heiratet, ohne sich auch nur annähernd mit ihr verständigen zu können? Es gäbe jede Menge erboster Frauen, die „Macho“ und „Sexist“ schrien. Nicht so hier. Corinne Hofmann hat sich nicht mit Nebensächlichkeiten wie Kenntnis der Kultur und Sprache der Massai oder Impfungen aufgehalten. Nein, sie sieht den Krieger – nur mit rotem Lendenschurz bekleidet – und seufzt: „Mein Gott, ist der schön, so etwas habe ich noch nie gesehen.“ Von diesem Moment ist für sie klar, dass sie ihn heiraten wird.

Vielleicht lieben Frauen solche Schicksalsberichte, weil deren Heldinnen einfach mehr auf sich nehmen, als sie es selber könnten. Einen stinkefaulen, ignoranten Ehemann zu Hause auf der Couch haben schließlich ziemlich viele. Aber einen schwarzen Krieger, der weder lesen noch rechnen kann, dessen Englisch sich nach „no problem“ bereits erschöpft – das kommt selten vor. Und doch ist Corinne Hofmann so opferbereit! Sie akzeptiert klaglos die rauen Sitten der Eingeborenen, unbefriedigende Geschlechtsakte mit ihrem „Darling“ eingeschlossen. Aber sie liebt ihn. Ach, Schwestern, muss Liebe schön sein!

CATHARINA RETZKE