Verkehrsrisiko Mandala

„Schön, so schön“: In Eimsbüttel und Altona erobern Kinder und Jugendliche sich den Platz, der sonst den Autos gehört  ■ Von Sandra Wilsdorf

Gegen Jonas hat Krista Sager keine Chance. Er kann es einfach langsamer und schafft, was ihr schon nach wenigen Metern misslingt: Die Füsse auf den Pedalen zu behalten beim Langsamfahren. Aber vielleicht sind es auch die „Jonas, Jonas“-Rufe seiner Mitschüler, die ihn in den Sieg tragen. Sager und der Bezirksbürgermeis-ter von Eimsbüttel, Jürgen Mantell, lachen über ihre Niederlagen. Rad-Langsam-Rennen war gestern nur eine sportliche Disziplin, zu der die Schule an der Isebek in der Bismarckstraße einlud. Ein Marathon über die Isebek und eine Olympiade gehörten auch zum Programm des Autofreien Tages. Überhaupt hüpften, sprangen, rannten, rollerten, rasten die Kinder ohne Unterbrechung. Als hätte Bewegungsfaulheit nur etwas mit zu wenig Platz und Angst vor Autos zu tun.

Platz aber gibt es am Autofreien Tag reichlich und Angst zumindest in den gesperrten Straßen gar nicht. Kinder und Jugendliche in Eimsbüttel haben sich Straßen erobert. „Das ist so schön“, sagt Christopher Rahita. Was genau? Er lächelt versonnen: „So schön.“ Christopher ist eines von etwa 300 Kindern beim Kinderfest in der Bellealliancestraße. Aus verschiedensten Kindergärten und Kindertagesstätten Eimsbüttels kommen sie und besetzen die Straße. Mit Malkreiden, Dosenwerfen und riesigen Seifenblasen. Und erst das große Bobbycar-Rennen: Da fällt einer auf die Straße, hier kippt einer um, purzeln zwei durcheinander. Egal, die Straße gibt sich heute mal freundlich. Gemüsehändler Avni Aydin findet das wunderbar, obwohl er heute schon um 4.30 Uhr aufstehen muss-te, um seine Ware anzuliefern, bevor die Straße um sieben Uhr gesperrt wurde. „Fürs nächste Jahr schlage ich den 23. April vor, das ist der internationale Kindertag“.

In der Bogenstraße inspizieren Kinder die Straßenmitte, viele haben Roller, Fahrräder, Inline-Skates mitgebracht, spielen Fuß- und Basketball, hören klassische Musik statt Autolärm. Sie genießen: „Autos sollen nur noch auf Autobahnen fahren“, schlägt ein Mädchen vor. „Nee, es soll nur noch Kutschen und Tretautos geben“, will einer.

Der 13-jährige Jasper Hinsch befindet den autofreien Tag für gut, wegen der gestiegenen Beinzinpreise und natürlich wegen der Abgase. Die Klasse 4c der Schule an der Isebek ist unterwegs auf Fahrradrallye. Der autofreie Tag macht sie radikal: „Autos sollten abgeschafft werden“, fordert Kevin, und alle jubeln. Doch Lilith kommen Bedenken: „Dann könnte ich nicht mehr nach Frankreich fahren.“ Guter Rat von Steven: „Quatsch, nach Hagenbecks Tierpark kommt man doch auch mit der U-Bahn.“

Aber es gibt auch kritische Stimmen: „Das ist ja eine gute Idee, aber viel zu wenig durchgedrungen“, sagt Jan Schröder vom Kaifu-Gymnasium. Viele hätten nichts davon gewusst. Vor der Jahn-Schule hat die Bürokratie den Spaß schon gleich am frühen Morgen verdorben: LehrerInnen wollten ein Mandala auf die Straße zeichnen, das die Kinder ausmalen sollten. „Da kam gleich ein Polizist und fragte, ob wir wüssten, dass wir für jeden Unfall verantwortlich seien, der auf dieser Kreuzung geschehe“, erzählt Sonderpädagogin Kristin Huwald. Am Ende habe man sich geeinigt, dass sie das Bild am Abend wieder abwaschen müssten.

Bei der Theodor-Haubach-Schule in Altona malen die Schüler deshalb mit Farbe für Autofahrer Gewöhnliches: Einen Zebrastreifen. „Der soll hier bleiben, weil die Autos immer so schnell fahren“, sagt Vicky aus der 10a. Und Lucas Mluczek fügt hinzu: „So einen autofreien Tag sollte es häufiger geben. Aber am besten wäre, die Straße würde unser Schulhof sein.“ Sein Wunsch ist nicht so abwegig: Seit 20 Jahren bemüht sich die Haubachschule darum, die Straße dem Schulgelände anzugliedern. Dann könnte es hier Musik, Suppe, Basketball, Armdrücken und Kindertheater geben. Jeden Tag.