Einfach auch mal ,nein' sagen

■ Die Georg-Bitter-Trasse ist so gut wie fertig. Die zweite Vorsitzende des „Vereins Hastedt und umzu“ zieht Bilanz nach 13 Jahren Auseinandersetzung

Vor 13 Jahren begann die Auseinandersetzung um den Bau der Georg-Bitter-Straße. Jetzt, nach Dutzenden von Gutachten, Gerichtsverhandlungen, Einwänden und Diskussionsveranstaltungen, scheint die letzte Stunde für den Verein „Hastedt und umzu“ geschlagen zu haben, in dem sich die Gegner der Georg-Bitter-Straße sammeln. Zwischen Bismarck- und Hamburger Straße können die Autos schon fahren. Auf dem letzten Teilstück bis zur Erdbeerbrücke werkeln schon die Bagger.

„Wenn ich jetzt im Garten sitze und den Baulärm höre, geht mir dauernd im Kopf rum: Kann ich hier in zwei Jahren noch sitzen oder vertreiben mich Autolärm und Abgase zu guter Letzt doch noch von hier?“ Hiltrud Lübben-Hollmann ist von Anfang an dabei. Das Haus der zweiten Vorsitzenden des Vereins liegt in der Suhrfeldstraße – nur einen Steinwurf entfernt von der Baustelle. 13 Jahre. Alles umsonst?

Lübben-Hollmann denkt lange nach. Ganz lange. Und erklärt dann klar: Nix war umsonst. „Wir haben alles versucht und getan, was möglich war gegen diese Straße. Und das ist ein beruhigendes Gefühl.“ So lange denkt sie nur noch bei einer anderen Frage nach: Was haben ihr die jahrelangen Auseinandersetzungen beigebracht? „Dass Solidarität immer noch möglich ist.“

Überhaupt, das mit dem politischen Mainstream. Gesellschaftlicher Wandel, Entpolitisierung und so weiter. Lübben-Hollmann ist auf ihre Weise aufrichtig konservativ. „Nur weil die Gesellschaft sich verändert hat, heißt das noch lange nicht, dass Verkehrspolitik kein Thema mehr ist. Unsere Ziele bleiben richtig.“ Wegen ihres Konservatismus' hat sie sich auch eine Radikalität erhalten, mit der sie zuweilen sogar bei den Mitstreiterinnen in ihrer Bürgerinitiative aneckt.

„Wir müssen uns ein Feindbild schaffen“, schrieb sie vor kurzem in einem Positionspapier zur Zukunft des Vereins. Denn weitermachen, das ist klar, wollen die rund 15 Aktiven. Streiten für einen besseren Stadtteil, für die Bebauung des TÜV-Geländes zum Beispiel oder für einen Wochenmarkt. Das mit dem Feindbild, das war den anderen aber dann doch zu dicke: Die Sprache sei der alte Jargon der DKP, wurde der ehemaligen Sozialbehörden-Mitarbeiterin vorgeworfen, die nach eigenen Angaben früher zwar Kontakte zu allen möglichen K-Gruppen unterhielt, aber nie Mitglied geworden ist. Gleiches gilt für die heute etablierten Parteien.

Lobbyieren, lavieren, das hat sie wohl gelernt. Und dennoch: Es wurmt sie wohl schon ein wenig, dass sie es sich immer verkneifen musste zu sagen, sie „kämpfe“ gegen die Georg-Bitter-Trasse, sondern höchstens, sie „setze sich dagegen ein“. Die Rhetorik des Verhandelns scheint ihr nicht angemessen für die Verhinderung einer Verkehrspolitik, die sie nicht gutheißt.Vielmehr habe sie für sich festgestellt, dass die InitiativlerInnen zuweilen zu wenig radikal aufgetreten seien. Denn genützt hat letztendlich alles nichts. Köpfe zerbrachen über baulichen Alternativlösungen, die die Behörde niemals wirklich in Betracht zog. Ewig wurde an Kompromissen gedoktert, die vielleicht noch gar nicht nötig waren. „Wir hätten öfter einfach ,nein' sagen sollen“, findet Lübben-Hollmann heute.

Auch menschlich ist in den Jahren das ein oder andere schief gegangen, glaubt sie heute. Zum Beispiel, dass man sich schwer tat, Menschen in die Protestreihen einzubeziehen, die die Durchgangsstraße nur aus Angst vor einem Wertverlust des Eigenheims ablehnten und sich nicht gleich Gedanken um die allgemeine Verkehrspolitik in Bremen machten. „Mit unserer verkappten Verächtlichkeit haben wir uns um Mitstreiter gebracht und viele Menschen vor den Kopf gestoßen“, fürchtet Lübben-Hollmann.

Dennoch klingt es nicht resigniert, wenn sie Sätze sagt wie: „Gegen eine große Koalition, die nur Wirtschaft im Kopf hat, wird jede Initiative unterliegen, die mehr Lebensqualität fordert. Wir können nur auf andere Mehrheiten in der Bürgerschaft hoffen“. Wahrscheinlich ist so wenig Enttäuschung dabei, weil für sie der Zusammenschluss von BürgerInnen immer noch „der richtige Weg“ ist – „vor allem, wenn es keine politische Opposition mehr gibt“. „Scheitern“ will sie es denn auch nicht nennen, wie die Geschichte um die Georg-Bitter-Straße nun zu Ende geht. Eher: „verlieren“. Vielleicht liegt das daran, dass man manchmal gewinnen kann und manchmal verlieren. Scheitern hört sich endgültiger an.

Christoph Dowe