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Kulturpolitik per CDU-Handy

■ Kultur-Projekte müssen Federn im Haushalt 2001 lassen und bekommen keinen Ersatz für die Kürzungen zugesagt / Per Handy kippte der CDU-Fraktionsvorsitzende den Senator

Wenn politische Veranstaltungen Vergnügungssteuer-pflichtig wären – bei der gestern tagenden Kulturdeputation wäre der doppelte Satz fällig gewesen. Zusammenfassende Veranstaltungskritik der grünen Oppositions-Politikerin Helga Trüpel: „Der Senator lässt sich zum Hampelmann des Fraktionsvorsitzenden machen.“

Und das ging so: Um 10 Uhr sollte die Deputationssitzung beginnen, auf der Tagesordnung stand die Kürzung der Kulturetats im Jahre 2001 um 2,1 Millionen Mark. Um 10.15 Uhr wird ein druckfrischer Bericht mit Beschlussvorschlag zu diesem Thema hereingereicht, über den sich die Kultur-Deputierten von SPD und CDU um 5 vor 10 verständigt hatten.

Die Deputierte Viola Mull (CDU) geht aus dem Raum mit dem Beschlussvorschlag am Ende des Papiers, in dem es heißt, die gestrichenen Mittel für die Kulturinitiativen sollten ihnen aus Wettmitteln ersetzt werden. Sie grift zum Handy, telefoniert mit dem Fraktionsvorsitzenden Jens Eckhoff. Sie kommt wieder herein. Das Handy von Deputationssprecherin Sigrid Köstermann (CDU) klingelt. Eckhoff ist ist dran. „Wir können das hier nicht so abstimmen, Herr Eckhoff ist nicht einverstanden“, meinte Viola Mull sinngemäß. Köstermann will das Handy dem Senator geben, der die Sitzung der Deputation leitet. „So geht das nicht“, entfährt es der grünen Oppositionspolitikerin. Kultursenator Bernt Schulte unterbricht die Sitzung.

Am Telefon wird dann eine neue Formulierung ausgehandelt. „Sie können sich das nicht bieten lassen“, sagt Helga Trüpel, die selbst früher einmal Kultursenatorin war, zu Schulte.

Nach 45 Minuten geht die Sitzung der Kulturdeputation weiter. Es gibt einen geänderten Be-schlussvorschlag, der die Zustimmung er Koalition findet. Geändert wurde nicht die Liste der Streichungen, gestrichen wurde jedoch die Zusage, dass die gestrichenen Mittel im Jahren 2001 aus dem Wettmittel-Topf ersetzt werden sollen. Jeder kann dort seinen Antrag stellen.

„Einen Freibrief kriegt keine Kultureinrichtung“, interpretiert Eckhoff gegenüber der taz den korrigierten Beschluss. Jede Kulturinitiative müsse „nachweisen, dass sie vernünftige Projekte macht.“ Dies habe er am Donnerstag mit der Kultur-Staatsrätin Elisabeth Motschmann auch so vereinbart. In der Vorbesprechung der Koalitionsfraktionen am Freitag früh war dann vereinbart worden, die Kürzungsopfer sollten wenigstens für das erste Jahr eine Zusage bekommen. Damit korrigierte die Runde die Absprache zwischen Eckhoff und der Staatsrätin.

„Politik erfordert eine Grundverlässlichkeit“, sagt Eckhoff, „daran halte ich mich.“ Und die fordert er offenbar auch von seiner Staatsrätin ein.

Carmen Emigholz, etwas genervt von dem Verfahren, will dem CDU-Fraktionschef vorschlagen, sich um ein Mandat in der Kulturdeputation zu bewerben.

Die betroffenen Kulturprojekte müssen nun bis Ende des Jahres zittern. Welche Einrichtung ganz geschlossen werden sollte, sagt heute niemand offen. Schnürschuh und dacapo habe Eckhoff auf der Streichliste, wird gemunkelt. Er selbst bestätigt das nicht. „Ralf Borttscheller hat sehr deutlich gesagt: Das ist sowieso nicht unser Klientel“, ärgert sich die SPD-Politikerin Emigholz. Sie will den Projekten weitgehende Planungssicherheit ermöglichen.

Die von den Kultur-Deputierten abgesegneten Streichungen treffen u.a. das Schnürschuh-Theater (von DM 160.000 auf DM 40.000). Ganz auf „null“ gesetzt werden der Verein GEDOK (bisher DM 37.500), die Trompetenakademie (bisher DM 150.999) und das Projekt für innovative moderne Musik dacapo (bisher DM 135.000).

K.W.

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