Männer aufsaugen nix gut

Ameisenbären, geballte weibliche Mutation und ein Tunnel nach „Kanakland“: Jachym Topol und Eva Hauserová lasen bei den tschechischen Tagen in der Literaturwerkstatt

An den Wänden hängen Gemälde von mutierten Kampfhunden, die in Wirklichkeit gar keine Kampfhunde sind, sondern Ameisenbären. Und wenn Ameisenbären Ameisen fressen, sieht es so aus, als saugten sie die kleinen Viecher einfach auf. Wie bei Mäusemüttern, die ihre Föten fressen, wenn ein besserer Partner Aussicht auf eine bessere Nachkommenschaft verspricht.

Das Aufsaugen von Männern hat Eva Hauserová zum Thema ihrer Kurzgeschichte „Das Geheimnis der Gebärmutter“ gemacht, die sie im Rahmen der tschechischen Literaturtage in der Literaturwerkstatt in Pankow vorlas. Das Mädchen in ihrer Geschichte ist 19 Jahre alt und immer noch Jungfrau. Ihre Mutter will ständig mit ihr über Männer reden und der Freund über Sex. Dann erzählt ihr die Mutter die Wahrheit über ihren Vater, der vor ihrer Geburt gestorben ist. Der Vater sei nämlich gar nicht so ganz gestorben, sondern vielmehr von ihr aufgesogen worden. Die Tochter ist sich nicht sicher, ob ihre Mutter eine Psychopathin ist oder die Wahrheit sagt. Das kann sie nur herausfinden, indem sie mit ihrem Freund schläft, und wenn es stimmt, was die Mutter sagt, ist es eine „durchaus nette Art“ den Freund loszuwerden.

Die 46-jährige Hauserová ist in Tschechien vor allem mit feministischen Science-Fiction-Geschichten bekannt geworden und mit Büchern wie „Das Handbuch des militanten Feminismus“ oder „Die Grundlagen des männlichen Chauvinismus.“

Nach dieser „geballten weiblichen Mutation“, wie die Moderatorin Natascha Drubek-Meyer sagte, las einer der bekanntesten tschechischen Gegenwartsautoren, Jachym Topol, aus seinem zuletzt auf Deutsch erschienenen Roman „Die Schwester“. „Damals in Berlun“ heißt das Kapitel, in dem sich ein paar Freunde nach Berlin aufmachen und in einem U-Bahn Schacht Türken treffen, die einen Tunnel nach „Kanakland“ graben wollen. Und das Schöne an Topols Text ist, dass die Dialoge auch für Deutsche verständlich sind, die kein Tschechisch verstehen. „Ei am Tscheckoslowakia!“ oder „Kommunisten, nix gutt“. Am Schluss sind sich die Freunde einig, dass im Grunde alle Kanaken sind, ob nun Tschechen oder Türken, die alte Identität ging verloren und im Postkommunismus findet sich alles neu zusammen.

Unterschiedlicher hätten die Gesprächspartner nicht sein können. Auf der einen Seite Jachym Topol, der einer Dissidentenfamilie entstammt und schon als 16-Jähriger die Charta 77 unterschrieb, und auf der anderen Seite Eva Hauserová, die in den 70er- und 80er-Jahren feministische Science-Ficton-Geschichten veröffentlichte und somit von der Zensur weitgehend verschont blieb.

Es sei romantisch gewesen, ein so genannter Dissident zu sein, ein Abenteuer, hat Topol mal in einem Interview gesagt. Dass man seinen Roman gerade von einem „extrem feministischen Standpunkt“ kritisiert habe, fand er ungerecht. Und als die Moderatorin seine Schwesterfigur als den „weiblichen Aspekt im Mann“ zu deuten versuchte, sagte Topol, dass er Angst habe, über dieses Thema zu sprechen. „Ich wollte ein Buch schreiben, das mehr Interpretationen zulässt.“ Aber die beiden Frauen ließen nicht locker und so kam es, dass Hauserová Topol aufsaugte.

JAN BRANDT