Spießrutenlaufen für Roland Koch

Bei der Eröffnung der CDU-Kampagne gegen die Ökosteuer stießen der hessische Ministerpräsident und seine Parteifreunde auf wenig Gegenliebe. Selbst Sympathisanten haben die Schwarzgeldkassen der Christdemokraten noch lange nicht vergessen

aus Wiesbaden HEIDE PLATEN

War das eine Pleite! Frohgemuten Schrittes war der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestern pünktlich um 12.15 Uhr auf den Wiesbadener Mauritiusplatz mitten in der Einkaufszone geeilt. Wieder mal vorneweg und als Erster und zur Eröffnung der bundesweiten Kampagne der Union gegen die Ökosteuer. Der Hase kam dennoch zu spät, denn die Igel waren schon da.

Auf der einen Seite des CDU-Standes hatte sich die grüne Landtagsfraktion aufgebaut mit Plakaten des Konterfeis der Ex-Umweltministerin Angelika Merkel: „Was ich früher prima fand, bekämpf ich jetzt im ganzen Land.“ Auf der anderen stand die SPD-Basis und schwenkte altbekannte Bilder: Koch als Pinocchio mit langer Lügnernase.

Sei’s drum, solchem Tort ist dieser Ministerpräsident allemal gewachsen und beim Unterschriftensammeln in seinem Element. Er schäkerte, scherzte leutselig, posierte, unterschrieb und dozierte über den schwachen Euro: „Wenn der Benzinpreis immer höher wird, dann gibt es diese Verantwortung in der Politik.“ Die Ökosteuer sei eine Zusatzsteuer und könne von Bundesfinanzminister Eichel „am ehesten zur Seite gelegt werden“. Der solle stattdessen jene Mehreinnahmen, die ihm „ungeplant“ zugeflossen seien, für die Entlastung der Rentenkassen verwenden.

Koch legte den Stift zur Seite. Das wäre es dann gewesen. Beinahe. Wären da nicht justament hunderte gegen den hessischen Bildungsnotstand demonstrierende Schüler um die Ecke gebogen und hätten skandiert: „Lügner! Lügner!“ „Koch muss weg!“ Der Landesvater verschwand im Gedränge, lächelte nicht mehr und verlor die Contenance: „Dann geht doch erst mal in den Unterricht!“ Koch drängelt im Eiltempo durch die engen Einkaufsstraßen, ausgerechnet an der Schulgasse übersieht er seinen gepanzerten, silbergrauen Mercedes, hastet in die Gegenrichtung zurück. Die letzten Meter zum Auto muss er Spießruten laufend zurücklegen.

Am CDU-Stand vollzog sich derweil der Tragikomödie zweiter Teil: Die tapferen Jungunionisten kamen gestern zwar auch bei dieser Kampagne, ähnlich wie schon bei der gegen die doppelte Staatsbürgerschaft im Wahlkampf Anfang 1999, in den Genuss von Volkes Stimme. Nur klang die diesmal ganz anders. Auch CDU-Sympathisanten fühlten sich missbraucht: „Die wollen doch nur von ihrem Mist ablenken.“ Und: „Das ist doch nur eine perfide Ablenkungsstrategie!“ „Mir egal“, höhnt ein Autofahrer, der die Ökosteuer verteidigt, „ich tanke immer für 100 Mark!“ Landtagsabgeordneter Horst Klee kämpfte und geriet ins Stammeln: „Die Hälfte der Ökosteuer steckt Eichel doch in den Bundeshaushalt!“ Na und? Eben: „Der tut das wenigstens nicht in seine Schwarzkassen.“

Nach dem ersten Ansturm Getreuer füllen sich die Listen nur noch zögerlich. Klee muss sich immer wieder vorhalten lassen: „Sie belügen die Leute.“ Der will von der Spendenaffäre besser nichts hören: „Das ist Vergangenheit!“ Da werden die Schüler sauer: „Die macht aber die Zukunft.“ Die Junge Union geht auf Distanz zu ihrem alten Abgeordneten. Ein junger Mann im Partei-T-Shirt ist indigniert: „Was der Herr Klee hier macht, finde ich unpassend.“ Der fragt gerade die Schüler, ob sie denn überhaupt die Grundrechnungsarten beherrschen. Die können noch mehr. Per Megafon erläutern sie den Passanten den weltwirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Dollarkurs und Ölpreis und erklären die Ökosteuer.