Im neuen Boxstall

Von Hamburg nach Berlin – in Wedding trainieren auf dem neuen Trainingsgelände der Universum Box-Promotion männliche und weibliche Champions: Regina Halmich, Michele Aboro und Krajnc

von TANJA BUSSE

Samstagmittag ist das Tor der Versuchsanstalt für Spiritusfabrikation in Wedding geschlossen. Ein kleines blondes Sportmädchen rüttelt von innen am Tor und muss klettern, um das Gelände zu verlassen. Eben, in dem flachen Zweckbau hinterm Zaun, zwischen Tanzlokal und Versuchsanstalt, hatte die Boxerin noch gesagt: „Ne, für 50.000 Dollar boxe ich nicht in Amerika, das rentiert sich nicht“, und dabei wohlwollend und ein bisschen überheblich gelächelt, als wollte sie sagen: „Vergessen Sie nicht, ich bin schon wer!“ Nun klettert die vielfache Weltmeisterin Regina Halmich also raus, und der Intercontinentalmeister Michel Trabant klettert rein auf das neue Trainingsgelände der Universum Box Promotion in Berlin.

Ein Teil der Hamburger Profiboxtruppe ist vor zwei Wochen nach Berlin umgezogen, weil der Spandauer Thomas Ulrich Heimweh hatte. Alle, die mit Ulrichs Trainer Torsten Schmitz arbeiten, mussten mit: Halmich, Armand Krajnc, der in Schweden aufgewachsene Sohn slowenischer Eltern, der seit November letzten Jahres WBO-Weltmeister im Mittelgewicht ist, und die Weltmeisterin Michele Aboro.

Eigentlich wären sie lieber in Hamburg geblieben, Regina Halmich, weil sie dort „in fünf Jahren Freunde gefunden hat“, und Armand Krajnc, weil es nur fünf Stunden bis Malmö sind.

Es ist das letzte Training vor dem Wochenende. Halmich übt Aufwärtshaken an der Pratze, „ohne zu springen“, so will es der Trainer. Sie stöhnt wie bei ihren Kämpfen, doch die Schläge sehen sauberer und härter aus. Sie lächelt viel. Aboro verteilt Weintrauben an Vural und Krajnc, und an dem bläulichen Fleck unter ihren Augen sieht man, dass diese Woche hart gesparrt wurde.

„Immer Klitschko, Klitschko, Klitschko.“ Krajnc ist genervt, dass es sich in den Medien immer nur um die Aushängeschilder der Universum Box-Promotion dreht. „Ich bin ja auch erst seit November Weltmeister, da muss man wohl Geduld haben. Aber ich bin ungeduldig.“ Am 7. Oktober muss er seinen Titel gegen den Stallkollegen Bert Schenk verteidigen. Beide haben jahrelang zusammen in Hamburg trainiert, „über 200 Runden Sparring zusammen gemacht“. Beide sind als Profis ungeschlagen, und nun werden sie sich im Ring gegenüberstehen.

Krajnc ist schwedischer Meister in so ziemlich allen Kampfsportvarianten und nach Deutschland gekommen, weil in Schweden Profiboxen verboten ist. Eigentlich will er nicht viel: weiterboxen, noch zwei, drei Jahre, solange er „hungrig“ ist, und dabei ein bisschen Geld verdienen. Und dann „Kinder, ein eigenes Appartement und nicht immer von zu Hause weg müssen“.

Bei Ibrahim Vural ist das nicht anders. Der Kreuzberger Türke, der bei Hertha BSC das Boxen gelernt hat, wollte „schon immer Profi werden“. Seit einem Jahr ist er nun bei Universum unter Vertrag. Am 7. Oktober hat er einen Aufbaukampf und dann soll er Europameister werden. Viel Zeit für die ganz große Karriere hat er nicht mehr. Der Federgewichtler mit dem knochigen Gesicht und den feinen Augenbrauen ist schon 31. „Beim Profiboxen geht’s nur um Kohle“, sagt er, „und wenn man einen Titel holt, dann geht’s richtig los.“ Mit welchem Image ihn die Universum-Promoter aufbauen wollen? „Einen Spitznamen meinen Sie?“ Ein DSF-Reporter habe ihn den Killer genannt, aber „das können sie ändern, ist mir egal, die Hauptsache ist ein Sponsor“. Das dürfte schwer halten, denn Vural nuschelt so sehr, dass man für das Interview nach dem Kampf einen Dolmetscher brauchen wird.

Bei den Männer ist alles ganz einfach. Sie wollen boxen, seit sie Kinder sind, und tun es einfach. Irgendwann wollen sie dann Geld damit verdienen, dann werden sie Profis. Für Michel Aboro ist das anders. Wenn die schwarze Londonerin in den Ring steigt, ist das immer auch ein Kampf um Identität, Geschlechterrolle und Akzeptanz. Alle, die etwas vom Boxen verstehen, sind sich einig, dass Aboro eine der besten Boxerinnen der Welt ist, Regina Halmich an Härte und Technik haushoch überlegen. Einen Vertrag mit monatlichem Gehalt bekommt sie deshalb nicht. Sie durchschaut den ganzen Boxzirkus zu gut, um sich darüber zu ärgern. „Die Leute sagen immer, ich boxe wie ein Mann, und das soll dann einfach heißen, ich boxe gut.“