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: Hilfsmittel, haltlos

Liebe Merlene

Liebes Olympia-Tagebuch!

Bin das erste Mal bewusst zur Mittagszeit zum TV-Gerät hingegangen, um es wegen eines Events einzuschalten. 100-Meter-Sprintentscheidungen der Frauen und Männer. Und es drängte sich mir die Frage auf: Wann war die letzte weltweit wichtige Sprintentscheidung bei Männern, an der ein Weißer teilgenommen hat? Gar gewonnen hat? Mir fallen nur die alten Kamellen ein: Piedro Mennea, Valeri Borsow, Armin Hary. Letzteren habe ich vor Jahren getroffen, als er eine mickrige Golfanlage im Allgäu in Betrieb nahm. Er war weiß von oben bis unten und es war nichts Besonderes an ihm und trotzdem war er wohl einer der begnadetsten Sprinter, die die Aschenbahn gesehen hat. Wo sind sie geblieben, die weißen Raketen? Keine Lust mehr? In der Jugend zu viel vor dem Fernseher gesessen? Bei den Frauen sieht es etwas anders aus. Dank den Russinnen und Griechinnen (grübel . . .). Trotzdem ist die für Sprintverhältnisse Ötzi-alte Merlene Ottey immer noch in der Lage, schneller als der gute weiße Rest zu rennen. Mit vierzig Jahren (nochmal grübel . . .). Wohlgemerkt: Ich freue mich für Merlene. Für niemand hätte ich mich mehr gefreut. Ich bin nämlich . . . also unter uns, ich hab’ für die mal ein wenig geschwärmt. Ich finde die nett. Woher ich weiß, dass die nett ist? Weil . . . das sieht man doch. Die hat so eine nette Art, die hat so eine nette Haut und hübsch gelockte Haare und . . . ja! ja! ja! Also gut, ich gestehe! Ich finde manche Sportlerinnen nicht nur interessant, weil sie gut laufen und hüpfen können! Und darum freue ich mich, dass ich Merlene Ottey weiterhin beglotzen kann. Und darum will ich gar nicht darüber nachdenken, warum meine Merlene immer noch so gut rennen kann. Es ist schließlich schon mal ein kleiner Schatten auf ihre sonst tadellose Vita gefallen. Wg. Hilfsmitteln. Unerlaubten. Wobei ich mir sicher bin, dass diese Anschuldigungen alle völlig haltlos sind. Meine Merlene tut so was nicht, meine Merlene ist sauber. Aber: Wenn einer nur lange genug im Dreck wühlt . . . am Ende kommt noch raus, dass Merlene Ottey eigentlich Ottonov heißt und mit Vornamen Merlinska und ihr Vater Bulgare ist. Und wie die mit Hilfsmitteln hantieren, ist hinlänglich bekannt. Besser nicht dran rühren.

ALBERT HEFELE