Öl macht Wind

Windenergie spielte bisher an der Börse kaum eine Rolle. Für ein Kursfeuerwerk sorgen jetzt die explodierenden Öl- und Gaskosten

Die Opec macht’s möglich: Bis Anfang September dümpelte die Aktie von Plambeck Neue Energien um die 30-Euro-Marke. Und das, obwohl Umsatz und Erträge sich durchaus sehen lassen können. Die am 15. Dezember 1998 am Neuen Markt gestartete Cuxhavener Firma machte mit der Planung und Realisierung von Windparks im ersten Halbjahr 2000 einen Umsatz von 48,9 Millionen Mark, im Vorjahreszeitraum erreichte Plambeck 19,5 Millionen. Damit erhöhte sich der Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum 1999 um 155 Prozent. Zahlen allerdings, die von Börse, Bankern und Analysten nicht honoriert wurden. Noch im August war Plambeck mit einem Aktienwert, der zwischen 32 und 34 Euro lag, am Neuen Markt gehandelt worden.

Vor allem der Einstieg in den Stromhandel wurde von den Brokern nicht positiv bewertet. Ein kleiner Öko-Zwerg versuchte sich auf neuem Terrain. Ein aussichtsloses Unterfangen, so die einhellige Meinung von Analysten und Energieexperten. Während Öko-Pioniere wie der Chef der Solar World AG, Frank Asbeck, die Finger vom Ökostrom ließen, will Plambeck am Stromhandel (Motto: „Ökologisch, günstig und gut“) festhalten.

Trotz der Zweifel, ob die Sache mit dem Verkauf der Elektronen sich jemals rechnet, zog die Plambeck-Aktie Anfang September dennoch steil nach oben. Grund: Die so genannten „grünen“ Nebenwerte profitierten von den Preis- und Mengenabsprachen der Wiener Ölscheichrunde. „Die hohen Ölpreise haben Anlegern quasi über Nacht das riesige und zudem lukrative Potenzial der Ökostromproduzenten vor Augen geführt“, meint ein Marktteilnehmer. Bei Plambeck kommt verstärkend hinzu, dass das Unternehmen mit seinen Offshore-Projekten ein gutes Stück vorangekommen ist. Mit dem renommierten Bauunternehmen Ludwig Voss aus Cuxhaven soll bei der Realisierung des ersten Windparks auf hoher See kooperiert werden. „Wir sind mit unseren Plänen ein gutes Stück vorangekommen. Wir rechnen mit den ersten baulichen Maßnahmen ab 2003“, sagt Wolfgang von Geldern, Vorstandsvorsitzender der Plambeck Neue Energien AG. Seit Anfang September ist der Kurs der Plambeck-Aktien um mehr als 70 Prozent gestiegen.

Noch mehr Freude über die sture Haltung der Opec und das Preis treibende Chaos am Ölmarkt kommt bei Heinrich Lohmann auf. Der Vorstand der rheinischen Ingenieurgesellschaft Umweltkontor kann sich auf die Schenkel klopfen. Erst Ende Juni lief die Zeichnungsfrist für die Aktien der Umweltkontor Renewable Energy AG an. Bereits nach einem Tag konnten keine Anteile mehr geordert werden. „Ausverkauft wegen zu großer Nachfrage“, hätte eigentlich auf der Homepage der Windparkplanungsgesellschaft stehen müssen. Vorschusslorbeeren gab es reichlich. Die Analysten von Inverna in Paderborn hielten die Aktie für einen interessanten Wert. „Mit Blick auf das obere Ende der Bookbuilding-Spanne von 11,50 Euro ist das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz unterbewertet“, meinte Inverna-Experte Dirk Schickhaus.

Positiv bewerten die Analysten die Tatsache, dass der prognostizierte Umsatz für das Geschäftsjahr 2000 bereits durch laufende Projekte abgedeckt ist. „Den Titel sollte man im Auge behalten“, so Schickhaus vor knapp drei Monaten.

Der Börsenkenner sollte Recht behalten. Der Schlusskurs am 5. Juli, dem ersten Handelstag, lag bei 24,30 Euro. „Unsere Aktie ist seit der Emission stabil“, meint Vorstand Lohmann. Vorteil für die Rheinländer, sie schreiben von Anfang an schwarze Zahlen. Die Politik der Opec und der Ölmultis hat dazu geführt, dass Umweltkontor vom Börsenbullen auf die Hörner genommen wurde. Im Klartext: Offensiv und stürmisch ging das Papier nach oben. Eine flotte Rallye zeigte, wo es langgeht bei den Windkraft-Planern. Bis Mitte September legte die Aktie auf 48,30 Euro zu. „Unser Kurs hat sich seit Juli mehr als verdoppelt“, freut sich Lohmann. Die Börse zeigt sich zudem zufrieden mit den Expansionsplänen der jungen Mannschaft. Ein Tochterunternehmen in der Türkei wurde gegründet; eine Beteiligung von 15 Prozent an der in Wiesbaden ansässigen Nevag, Neue Energie Verbund AG, unter Dach und Fach gebracht. Analysten bewerten den Einstieg bei der Nevag positiv, weil Umweltkontor so mit einem starken Partner gemeinsam Projekte in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland realisieren kann. Die Zahlen, die die ölgeschockten Anleger beeindrucken, können sich sehen lassen: Im ersten Halbjahr 2000 machte Umweltkontor einen Umsatz von 28,62 Millionen Mark. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ist dies eine Steigerung von 295 Prozent (Vorjahr: 7,24 Millionen Mark). Diese Werte erklären, warum die Ökowerte am Neuen Markt jetzt gefragt sind.

Ähnliche Erfahrungen machte das dritte Windunternehmen am Neuen Markt, die Energiekontor AG aus Brinkum bei Bremen. Am 25. Mai wurde die Aktie das erste Mal an der Börse gehandelt. Das Papier war zwölffach überzeichnet, der Ausgabekurs lag bei 32 Euro. Am ersten Handelstag stieg der Kurs bis auf 43,5 Euro. „Ein absolut sauberer und guter Börsenstart“, so die Bewertung eines Brokers. Innerhalb von nur drei Wochen stieg der Kurs um satte 40 Prozent. Ganz gezielt konzentriert sich Energiekontor auf das Kerngeschäft Windenergie. Und die Strategie geht auf. Die Umsatzerlöse bei den Bremern stiegen auf rund 38 Millionen Mark. Finanzexperten von Merck Fink & Co. in München sehen bei Energiekontor ein Wachstumspotenzial von 20 bis 30 Prozent. Vor allem die geplante Kooperation zwischen der britischen Energiekontor-Tochter EnergieKontor UK Ltd. und der British West Coast Energy werten die Analysten als „erfolgreichen Einstieg in einen sehr attraktiven Windenergiemarkt“.

Außerdem sind bei Energiekontor die Pläne für die Errichtung eines 200-Megawatt-Offshore-Windparks bereits weit voran geschritten. Vom Ölschock hat auch Energiekontor-Chef Bodo Wilkens profitiert. Der Kurs des Papiers stieg bis Mitte September auf 93,10 Euro. Damit hat sich der Wert der Aktie seit dem Ausgabetag fast verdreifacht. „Immer mehr institutionelle Anleger erkennen, wie groß das Wachstumspotenzial beim Windgeschäft ist“, so ein Broker. Das Ölchaos habe viele Analysten und Investoren wachgerüttelt. Ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht abzusehen.

MICHAEL FRANKEN