Mordversuch von rechts

Polizei ermittelt nach Brandanschlag in Wuppertal wegen Mordversuchs. Verletzte Polizisten bei Einsatz gegen Neonazis in Lüneburg. Schwarzer in Düsseldorf verprügelt. DVU-Aktion in Passau

WUPPERTAL / LÜNEBURG / PASSAU taz ■ Rassismus ist nicht nur ein Problem Ostdeutschlands. Gleich mehrere rechtsradikale Vorfälle tief im Westen der Republik dokumentierten an diesem Wochenende, dass Neonazis in der alten Bundesrepublik genauso zuschlagen wie in den neuen Bundesländern: In Wuppertal versuchten Rechtsradikale, ein Haus anzuzünden. In Lüneburg lieferten sich 500 Skinheads Prügeleien mit der Polizei. In Düsseldorf schlugen 15 bis 20 Deutsche auf einen schwarzen Deutschen ein. Und in Passau konnten über 2.000 Anhänger der rechtsradikalen DVU weitgehend ungestört ihre alljährliche Kundgebung in der Nibelungenhalle feiern.

Wegen versuchten Mordes ermittelt die Polizei gegen mehrere Männer aus dem rechtsradikalen Milieu in Wuppertal. Ihnen wird vorgeworfen, am Samstag früh im Stadtteil Wichlinghausen gegen 5 Uhr zwei Molotowcocktails gegen ein von Ausländern bewohntes Haus geschleudert zu haben. Einer der Brandsätze flog in die Erdgeschosswohnung und entzündete eine Matratze. Zwei Kinder erlitten einen Schock, die Eltern aus dem Kosovo konnten die brennende Matratze noch rechtzeitig aus dem Fenster werfen. 45 Hausbewohner entgingen so einer möglichen Katastrophe.

Eine mutmaßliche Täterin konnte noch am Tatort festgenommen werden. Kurz darauf wurden zwei weitere Frauen und vier Männer bei einer Feier in der Nähe dingfest gemacht. Sie sind zwischen 16 und 23 Jahre alt, wohnen in Wuppertal oder Umgebung und entstammen, so die Polizei, der rechten Szene. Einige der Männer waren nach Polizeiangaben bereits früher „in fremdenfeindliche Aktivitäten verwickelt“. In einem Pkw wurden laut Aussagen eines Polizeisprechers ein Benzinkanister und Flaschen, wie sie bei der Tat benutzt wurden, gefunden. In den Wohnungen der Tatverdächtigen stellte die Polizei „Schriftmaterial aus der Skinheadszene“ sowie Reichskriegsflaggen sicher.

Gegen die Männer wurde gestern Haftbefehl erlassen; gegen sie wird wegen versuchten Mordes und besonders schwerer Brandstiftung ermittelt. Weil sie „offenbar an der eigentlichen Tat nicht beteiligt“ gewesen seien, wurden die drei Frauen mittlerweile entlassen, wie die Polizei bestätigte. Gegen sie wird aber weiter wegen des Verdachts der Mitwisserschaft ermittelt.

Wichlinghausen, der Ort des Brandanschlags, gilt in Antifa-Kreisen als Hochburg der Rechtsradikalen. Erst Anfang Juli war eine Gedenkveranstaltung in der benachbarten KZ-Gedenkstätte Kemna von vermummten Rechten überfallen worden. Am kommenden Samstag ist in Wuppertal eine Demonstration gegen den Brandanschlag geplant.

Ebenfalls an diesem Samstag kam es bei der Auflösung eines Skinheadkonzerts in Laave bei Lüneburg zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Rechtsradikalen, bei denen 46 Polizisten verletzt wurden. Über 500 Neonazis waren in das niedersächsische Dorf gekommen, um mehreren Bands aus dem verbotenen „Blood & Honor“-Netzwerk zuzuhören. Bereits auf dem Weg zu dem Veranstaltungsort bewarfen die Neonazis die anwesenden Polizeibeamten. Nachdem die Einsatzleitung festgestellt hatte, dass ein enger Zusammenhang zwischen den Personen und der verbotenen „Blood & Honour Division Deutschland“ bestand, lösten die Beamten das Konzert auf. Dabei leisteten die Neonazis massiven Widerstand. Flaschen, Rauchbomben, Tränengaswurfgeschosse und Möbel schleuderten sie den Beamten entgegen. 46 Polizisten und 15 Nazis wurden verletzt. Die Polizei nahm 32 Personen vorläufig fest.

Im niederbayerischen Passau konnte die rechtsradikale DVU weitgehend ungestört feiern. Rund 2.200 Menschen lauschten einer Rede von DVU-Chef Frey. Die Idee von engagierten Passauern, die Rechten zu boykottieren und ihnen weder Benzin für ihre Autos noch ein Bett im Hotel zu gönnen, setzte sich nicht durch. 2.600 Menschen demonstrierten gegen den Aufzug der Rechtsradikalen. Die Stadt will die Einnahmen aus der Vermietung der Halle, zu der sie gezwungen war, den Hinterbliebenen des in Dessau ermordeten Mosambikaners Alberto Adriano stiften.

Im rheinischen Düsseldorf verprügelte eine Gruppe von 15 bis 20 Deutschen am Samstagabend einen 50-jährigen schwarzen Deutschen und beschimpften ihn mit ausländerfeindlichen Parolen. Der Schwarze wollte mit seinem Fahrrad an den zechenden Rassisten vorbeiradeln. Zwei Frauen und ein Mann wurden als mutmaßliche Rädelsführer festgenommen.

MARCUS MEIER, ANDREAS SPEIT

NICOLE JANZ, klh

inland SEITE 6