Kommentar: Hanseatische Eitelkeiten
■ Warum sich Stadt und ZuschauerInnen das Filmfest Einiges kosten lassen
Seien wir doch mal ehrlich: Im Grunde sind die Perlen, nach denen Festivalleiter Josef Wutz alljährlich und diesmal nach eigener Aussage besonders tief tauchen musste, ein schwacher Trost für die Unannehmlichkeiten, die das Filmfest Hamburg mit sich bringt. Ortsansässige KinobesucherInnen hätten ihre Entscheidungsneurosen besser vorher auf der Couch kuriert, den Jahresurlaub und das dazugehörige Geld nicht schon im August verschleudert – auch wünscht sich eigentlich niemand Besuch aus Süddeutschland, der sich die Pretiosen nicht entgehen lassen will und in der verbleibenden Zeit fremde Kühlschränke plündert.
Doch immerhin, auf der Habenseite der Bilanz: im Smalltalk mit der Kenntnis von Filmen brillieren zu können, die kaum je sonst in deutschen Kinos landen, oder nur müde lächeln zu müssen, wenn Gran Paradiso Bundesstart hat. Kulturelles Kapital eben.
Das möchte auch Hamburg gerne erwerben, geht doch die nicht kultur-, sondern nur indus-triell genannte Produktion stetig zurück. Zwar reichen Ausrichtung und Geschichte des Filmfests nicht für die Ehrfurcht, mit der gemeinhin Städtenamen wie Venedig, Cannes oder Berlin ausgesprochen werden. Zu einer hanseatisch-nüchtern stärkeren Betonung aber gereicht es Hamburg allemal.
Solche Aufwertung des Standorts lässt sich die Stadt was kosten und subventioniert das Event mit rund einer Million Mark. Und davon haben schließlich alle etwas. Auch wenn es bloß etwas Kulturelles ist.
Christiane Müller-Lobeck
Siehe Seite 23
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