die vernichtung von wertvollen lebensmitteln
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von KARL WEGMANN

Spätsommer. Auf dem Tisch steht ein Fünfliterkanister Federweißer, aus den Boxen kriecht Randy Newmans „Faust“, und Willy schleppt gerade das erste Blech mit Zwiebelkuchen herein.

„Völlerei ist doch ein schönes Hobby“, stellt Hermann fest, „nur die Musik find ich nicht so passend. Können wir nicht etwas Leichteres auflegen? So was wie Jayhawks ,Smile‘, das war doch die Sommermusik in diesem Jahr.“

„Sommer?“, fragt Willy, „welcher Sommer? Aber du hast Recht, die haben da doch diesen Refrain, ,cool, cool water running down my back‘, das passt tatsächlich wie Arsch auf Eimer.“ Dann mampfen alle Zwiebelkuchen, und auch der Kanister ist ruck, zuck leer. Willy hat gerade einen zweiten installiert, als Bernhard reinkommt. Er verzieht angewidert das Gesicht und würgt: „Mann, hier vorm Haus riecht’s wie in einer Pommesbude, in der sie zwei Jahre das Fett nicht gewechselt haben, richtig widerlich! Was zum Teufel ist das?“ – „Nebenwirkungen“, sagt Willy und gießt Bernd ein Glas voll. „Was? Nebenwirkungen wovon?“ – „Na ja“, Willy ist das etwas peinlich, „ich tank doch jetzt immer bei Aldi Pflanzenöl, und der Nachteil ist halt der Gestank nach Pommesbude und dass das Anschmeißen morgens etwas länger dauert, aber das nehm ich in Kauf bei dem Preisvorteil.“ – „Wie, Pflanzenöl“, fragt Bernhard, „du meinst Salatöl?“ – „Klar“, grinst Willy, „bei Aldi kostet ein Liter 1,09 Mark, ein Liter Diesel kostet inzwischen so 1,79 Mark, also . . .“ – „Aber ist das nicht verboten?“, Berhard ist ganz weg. „Böswillige Vernichtung von wertvollen Lebensmitteln oder so?“ – „Quatsch“, sagt Willy, „in Süddeutschland gibt’s inzwischen schon Salatöltankstellen.“ – „Und was fährst du so“, fragt Hermann interessiert, „kaltgepresstes Olivenöl?“ – „Raps“, antwortet Willy, „aber im Prinzip geht alles, Sonnenblume, Olive, alles.“ – „Kann ich das auch in meinen Mazda kippen?“ – Auf keinen Fall“, meint Willy, „das geht nur bei Diesel-Geräten, Daimler-Diesel zum Beispiel lieben Aldi-Salatöl, einen Benzinmotor würde das Zeug auf der Stelle töten.“ – „Ich kauf mir ’nen Diesel!“, verkündet Hermann.

„Einfach unglaublich“, Bernhard schüttelt den Kopf, „da haben wir uns immer aufgeregt, dass der Deutsche viel mehr Geld für einen Liter Motoröl als für einen Liter Salatöl ausgibt, und jetzt das . . . Das Land wird eine einzige Imbissbude oder zumindest danach riechen.“

So nimmt der feuchte Spätsommerabend seinen Lauf. Bald ist man am Boden des zweiten Kanisters Most angelangt, aber Willy hat vorgesorgt, auch ein neues Blech mit Zwiebelkuchen ist fertig und wird sofort seiner Bestimmung zugeführt. Und es wird weiter gefachsimpelt. Hermann wirft die Frage auf, ob nicht auch andere Lebensmittel bei der modernen Technik zum Einsatz kommen könnten. „Bleiben wir doch mal beim Salat“, sagt er, „was ist mit Balsamico di Modena? Der ist doch zweifellos High-Tech-geeignet.“ So geht’s weiter. Keiner hat gemerkt, das der CD-Spieler auf Wiederholung steht, und so versichert ihnen Randy Newman schon zum dritten Mal: „Can’t Keep a Good Man Down.“