Niederlage für Britanniens Genindustrie

Zerstörung eines Genmaisfeldes betiteln Geschworene als rechtmäßig. Weitere Anschläge werden befürchtet

LONDON taz ■ Die britische Genindustrie bereitete sich letzte Woche auf weitere Angriffe gegen Versuchsfarmen vor, auf denen genetisch manipulierte Produkte angebaut werden. Denn die Geschworenen im Gericht von Norwich hatten kurz zuvor entschieden, dass die Umweltschutzorganisation Greenpeace rechtmäßig gehandelt habe, als sie im Juli vergangenen Jahres ein Feld mit genmanipuliertem Mais zerstörte. Die Prozesskosten in Höhe von 100.000 Pfund muss der Staat tragen.

Die Geschworenen beriefen sich auf ein Gesetz von 1971, wonach Eigentum zerstört werden darf, wenn dadurch anderes Eigentum geschützt wird. Greenpeace hatte argumentiert, dass die Maispollen angrenzende Felder „genetisch verschmutzen“ würden. Lord Melchett, Geschäftsführer von Greenpeace, der die Aktion in Norfolk geleitet hatte, deutete an, dass seine Organisation weiterhin gegen die Experimente mit genetisch manipuliertem Material vorgehen werden. „Nun ist es Zeit für Premierminister Tony Blair und die Chemiefirmen, ihre Experimente einzustellen“, sagte er.

Die betroffene Farm von William Brigham in Norfolk hatte an einem Forschungsprogramm der Regierung teilgenommen, durch das man herausfinden will, ob der massive Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, den der genmanipulierte Mais aushält, Auswirkungen auf Flora und Fauna hat. „Die Versuche werden weitergehen“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums. „Wenn wir die Versuche einstellen, fehlen uns notwendige wissenschaftliche Erkenntnisse. Unsere Priorität ist der Schutz der Umwelt und der Gesundheit.“ Ein Sprecher von Scimac, dem Verband der an den Experimenten beteiligten Chemie-Unternehmen, sagte: „Wir sind enttäuscht, dass eine extremistische Minderheit nicht ihren eigenen Argumenten vertraut und die Wissenschaft entscheiden lässt.“ Brigham befürchtet, dass die Täter nun aufgrund des Urteils ohne Angst vor Strafverfolgung immer wieder zuschlagen können.

Der 52-jährige Lord Melchett, der in den Siebzigerjahren Staatssekretär in der Labour-Regierung war, sagte, die genetische Veränderung von Pflanzen sei „eins der Furcht erregendsten Dinge“, die ihm je begegnet seien. Melchett stammt aus einer alten Adelsfamilie, sein Urgroßvater Sir Alfred Mond hat den britischen Chemieriesen ICI gegründet, sein Vater Julian Melchett hat die staatliche Stahlindustrie aufgebaut.

RALF SOTSCHECK