Gorbatschow und Diddl

■ Diebische Diddl-Fans können den Grund für ihre Leidenschaft nicht plausibel erklären und werden deswegen hart bestraft / Fanartikel als Tauschobjekt gegen feinen Zwirn?

Obwohl die Angeklagten das Urteil annahmen und sich für ihre Taten entschuldigten, konnte man gestern im Amtsgericht in den Gesichtern des Strafrichters und des Anwalts Ratlosigkeit lesen. So richtig verstanden hatte eigentlich keiner, worum es den Angeklagten ging.

„Diddl? Was ist denn das?“, flüstert der Staatsanwalt dem Richter zu. „Diese kleinen Mäuse“ antwortet dieser. „Mäuse?" „Aus Stoff“, fügt die Protokollantin hinzu. Die 61jährige Elitchka E. wird angeklagt, Diddlmaus-Produkte im Wert von 306,30 Mark entwendet zu haben. Ringbücher, Bleistifte, Grußkarten und Lineale mit Diddlmaus-Motiv soll sie in ihre Stofftasche aus dem Laden getragen haben – ohne zu bezahlen. Ihr 27-jähriger Sohn Karen E. wird ebenfalls des Diebstahls beschuldigt. Genauso wie seine Mutter soll er nicht etwa Autoradios oder Geldbörsen entwendet haben, sondern Mengen von Diddlmäusen sowie 464 Karten, 58 Schreibblöcke, eine Mütze, drei Paar Socken und einen Becher im – Sie ahnen es schon – Diddlmaus-Dekor. Wert: 4.000 Mark. Einen Monat später wurde er in einer Drogerie auf frischer Tat mit dem Parfum Ekstase Body Talk in der Innentasche ertappt. Und weitere zwei Monate später fanden sich in seiner Stofftasche beim Ausgang zwei Flaschen Wodka Gorbatschow, die er nicht bezahlt hatte.

Anfang des Jahres sind Karen E. und seine Mutter Elitchka E. aus den Kriegswirren Grosnys nach Bremen geflüchtet, wo sie Asyl beantragten. Hier machte Karen E. Bekanntschaft mit einem Russen, der einen wunderschönen Anzug besaß. Der hatte es Karen E. angetan. Der Besitzer bot Karen E. einen Tausch an: Unmengen an Diddl-Produkten für den Anzug. Der Staatsanwalt rümpft die Nase. Was für eine merkwürdige Geschichte. „Wollten Sie die Produkte auf dem Flohmarkt verkaufen?“ Karen E. verneint. Er könne ja noch nicht einmal deutsch sprechen. Wirklich überzeugt ist niemand von der Geschichte.

Er sei mit seiner Mutter in den Krimskrams-Laden gegangen und habe sie gebeten, die Gegenstände für ihn einzupacken, sagt Karen E. Seine Mutter nickt und versichert unter Tränen, dass sie nur aus Verwirrung geklaut habe. Den Wodka stahl Karen E., um Besuch zu bewirten. Das Parfum wollte er eigentlich bezahlen, so Karen E. Er habe nur noch kurz Klopapier vom Ständer draußen vor der Drogerie holen wollen. Die Parfum-Flasche steckte er in seine Innentasche und wurde am Eingang erwischt. Aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse hatte er nicht erklären können, dass er ja eigentlich bezahlen wollte.

Das ist dem Richter dann doch zu windig. Das Urteil lautet 2.700 Mark für Karen E. und 450 Mark für Elitchka E. Sie hat das letzte Wort:„Entschuldigung, das werde ich nie wieder machen!“

momo