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: Lockruf des Porno

Sonst noch was?

Im Keller meines Vaters, wo es am muffigsten riecht, unter dem Pappkoffer mit den abgelegten Teddybären, neben den alten Ausgaben von Twen und Konkret, dort, wo die Einweckgläser standen, bis sie dem Karton mit dem Bücherplunder aus Elterns Regalen und den Resten des neonorangefarbenen Motobecane-Rennrads Platz machten, mit dem ich mit zwölf am Sodener Hang zunächst den Streckenrekord bei der Schussfahrt ohne Bremsen und anschließend mir selbst das Schlüsselbein auf der Motorhaube des von links kommenden VW Käfers brach – hier, im Keller, hat mich die Olympiade eingeholt.

Plumps, da liegt der hellgrüne Prachtband zu Olympia 1972 in München vor mir. War da was außer den Schüssen im olympischen Dorf? Gibt es etwas über Mexiko 1968 zu berichten außer Fäusteballen für die Black Panthers? Ich weiß es nicht. Ich habe den Rest ignoriert. Olympia 2000 ist sehr angenehm, denn als Nachtereignis lassen sich die Spiele leicht ignorieren. Anders als beim medialen und real nachbarschaftlichen Ausnahmezustand der Fußball-Europameisterschaft lockt bestenfalls die Fernsehkarte im Computer, morgens um acht zu Arbeitsbeginn Feldhockey statt Elektropost zu sichten. Und auch die deutschen AthletInnen sorgen mit ihren Leistungen und Siegen allein in obskuren Disziplinen wie Popelschnicken oder Dübeldrücken dafür, dass Olympia die Sonderseiten nicht wirklich verlässt. Davon, dass die leibesertüchtigte Jugend der Welt sich auf der Rückseite derselben trifft, kündet mir sonst nur der Duplo-Riegel aus dem Quengelregal, weil ich Asterix-Aufkleber der wahren olympischen Disziplinen für meine Tochter sammele.

Denke ich, im Keller meines Vaters stehend, an Olympia, fällt mir nur „Barbara“ ein, der populäre Porno aus dem Olympia-Press-Verlag, der das Bücherregal meiner Eltern und später meine Fantasien schmückte. Denn wahres Olympia aus Zuschauersicht ist Fleischbeschau, wie Chatter Schubiak bei www.olympiade.de gesteht: „Lekker Meisjes scheinen die Ausnahme zu sein. Ist Susan Tiedtke eigentlich wieder dabei? Oder Anke Feller? Weiterer Tipp aus deutscher Sicht: Amewu Mensah (Hochsprung).“

Während Schreiber Hexer seufzt, ob jemand in Bild das Foto von „Kugel-Astrid“ (Kumbernuss) gesehen habe („Ich meine das, so wie der Doping-Doktor sie schuf, ohne Dress und doppelten Boden“), siegt im Keller Endorphin klar über Testosteron: Ich klappe „München 1972“ wieder zu und lasse es weiterrotten. Barbara lockt, oben im Bücherregal.

STEFAN GERHARD