Alles so schön schön hier

Wie sie das bloß machen, diese Aussies: Die Suche nach olympischen Pannen und Peinlichkeiten bleibt erfolglos

SYDNEY taz ■ Da sitze ich in diesem Hotelzimmer mit dem faszinierenden Blick auf Darling Harbour und ziehe eine niederschmetternde Bilanz: Ich habe immer noch nichts gefunden, woran ich rummäkeln könnte. Immer noch gehöre ich zu den Hunderttausenden, die mit diesem leicht debilen Ist-das-alles-nicht-toll-hier-Blick durch Sydney taumeln. Peinlich!

Dabei habe ich wirklich alles versucht. Ich bin mutwillig um neun Uhr abends zum Circular-Quay gegangen, da wo sie alle hingehen. Hungrig, aber ohne Reservierung. Sichere Sache, musste schiefgehen. Eine halbe Stunde später heulte ich verstohlen in meinen Ruccola-Salat. So konnte ich die Oper leider nur verschwommen sehen. Aber es war einfach zu schön.

Na gut. Dann wollte ich mit dem Zug in den Olympic Parc. Eine prima Idee, die außer mir noch 400.000 andere hatten. Als ich der kilometerlangen Schlange am Hauptbahnhof stand, übte ich schon mal auf Englisch Sätze wie: „Es ist eine bodenlose Frechheit, dass wir hier stundenlang rumstehen müssen.“ Und: „Da habe ich mir die teuren Leichtathletik-Karten gekauft, und Ihretwegen verpasse ich die Erfolge unserer deutschen Mannschaft!“ Hätte ich mir sparen können. So richtig klar ist es mir immer noch nicht, wie die das machen, die Australier. Diese ungeheuren Menschenmassen völlig entspannt und vor allem schlau durchdacht an die Wettkampfstätten zu bringen und zurück. Aber es funktioniert. Echt.

Einmal schließlich, als ich schon ein bisschen Heimweh nach Deutschland hatte, bin ich einem Kerl mit Absicht in die Hacken getreten. „Oh, I’m sorry“, grinste er freundlich. Einfach nichts zu machen.

Schließlich war es soweit. Über Nacht war sie vorbei: die ganze Herrlichkeit von Sydney. Es goss in Strömen und hörte gar nicht mehr auf. Großartig! Auf einmal hatte die schönste Stadt der Welt den Charme von Eisenhüttenstadt, und im Olympiazentrum einzuregnen war auch nicht anders als auf dem Bezirkssportplatz von Pirna oder Pirmasens. Mühelos steigerte ich mich in eine Hier-wird-also-auch-nur-mit Wasser- gekocht-siehste-hab-ich-doch-gleich-gesagt-Depression. Ich wurde zickig und war kurz davor, meine unter größter Mühe ergatterte Eintrittskarte dem erstbesten Regenfreund zu verkaufen, dem ich eine satte Erkältung gönnte. Schadenfroh beobachtete ich im Fernsehen, wie die Dressurpferde durch die eklige Modderpampe tänzelten und die Beachvolleyballer ihre durchtrainierten Hintern abfroren. Neulich war ich im Bondi-Beach-Stadion noch führende Mitwirkende der berühmten Zeitlupen-La-Ola gewesen und hatte gerade noch die Kraft aufgebracht, nicht auch noch bei „Oooh, Maccarena“ mitzugrölen. Jetzt war meine Laune schlecht, und das war gut so. Das hatte Sydney nun davon.

Doch der Triumph sollte nur von kurzer Dauer sein. Sydney schlug zurück. Nicht mal zwei Tage hat das miese Wetter gehalten, und dann strahlte der Himmel wieder so blau wie auf jedem blöden Postkartenfoto. Und einen leichten Sonnenbrand hatte ich auch schon wieder.

Manchmal bin ich einfach müde. Dann bin ich ernsthaft versucht aufzugeben und nicht mehr weiter zu suchen, nach diesem blöden Haar in der Suppe von Sydney. Ich könnte natürlich noch meinen Freund beim Spiegel anrufen. Die vom Spiegel finden doch immer was. Aber er geht einfach nicht ans Telefon. Vielleicht ist er genauso verzweifelt wie ich. BEATE BOSSDORF