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: Verkabelt das Dorf!

Olympic Brother

Wir befinden uns im Jahre 2000 n.Chr. Ganz Sydney ist von den Kameras besetzt... Ganz Sydney? Nein! Ein von unbeugsamen Sportlern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die Journalisten, die als Besatzung in den befestigten Lagern liegen ...

Kameraleute stehen sich die Füße platt, dass der Star das olympische Dorf verlässt. Denn der trainierte Zuschauer will befriedigt werden; er fragt sich, was ist das für ein Typ, die Kanutin, der Handballer, wie feiert diese ihr Gold, jener sein Versagen? Die triste visuelle Antwort besteht aus verkrampften Siegern und Verlierern, im Freizeitdress der Ausstatter hilflos vor den Wahrzeichen Sydneys promenierend oder zwischen Didgeridoos verspannt im Studio sitzend.

Ein Zufall, dass einen Knopfdruck entfernt „Big Brother“ zeitgleich mit Olympia in die zweite Woche geht? Nein, es macht nur auf einen medialen Missstand aufmerksam. Schon Asterix’ Bilderqualität bestand darin, dass die Römer zwar draußen bleiben mussten, der Leser aber Einblick in Leben und Spaß der Bewohner des unbeugsamen Dorfes erhielt. Umso deutlicher wird die Diskrepanz zwischen big-brotherisierten Zuschauererwartungen und ungecovertem Dorfleben; zwar werden wilde Orgien im Dorf mittlerweile auf Mini-DV festgehalten, aber lediglich privat-privat. Ansonsten regiert oral history zur Vermittlung, werden Mythen um zu kurze Betten und Treffen der Geschlechter produziert. Man wird hippelig, Fernsehrealität vor Augen, wenn man sich Mögliches ausmalt. Zunächst: Alles ist vorhanden. Die Bauten für das Psycholabor sind keine Container, sondern von renommierten Architekten aufgebaute Schmuckstücke; die Besetzung repräsentiert einen gesunden, sozialen Querschnitt der Gesellschaft – keine Behinderungen, lediglich typische Akzente. Selbst Alibifarbige wirken nicht konstruiert. Spielsituationen liefern die Spiele. In Zeiten, wo sich immer noch Stars in Form von Spätromantikern im Dorf einfinden, welch zusätzliche Spannung ließe sich aufbauen. Der Star, die Bogenschützin, das Begehren und die (imaginären) Kameras.

Da nicht alle Athleten wie Obelix als Kind in Zaubertrank gefallen sind und selbst Asterix den Druiden konsultieren muss, bevor er bei den Römern aufräumt, Fernsehmacher aufgepasst: zähneputzende Athleten in Großaufnahme. Oh, mein Gott, verkabelt endlich das gottverdammte Dorf!

HENNING HARNISCH