„Ohne Niveau“

Steen Lau Jorgensen, der künftige Weltbankdirektor für soziale Entwicklung, zum Dialog zwischen Bank und NGOs

taz: Laut Weltbankvertretern gab es in Prag im Verhältnis zwischen Weltbank und NGOs einen Durchbruch. NGO-Vertreter sagen dagegen, es habe sich nichts geändert . . .

Steen Lau Jorgensen: Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Umstritten ist, ob wir das schnell genug machen. Im Hinblick auf die Jahrestreffen müssen wir den Dialog überdenken. Ich habe an vielen Treffen teilgenommen, aber ich höre immer die gleichen Reden von beiden Seiten: Beim nächsten Jahrestreffen werden wir etwas ändern müssen.

Was?

Die bisherigen Gespräche waren nicht konkret genug. Wir meinen Unterschiedliches, wenn wir die gleichen Begriffe benutzen. Der Begriff „soziale Bewertung“ etwa wird von den NGOs anders verstanden. Wenn wir vorher konkreter werden, können wir auch deutlichere Fortschritte erzielen. Wir überdenken bereits unser NGO-Beratungskomitee. Das sollte nach Regionen organisiert sein, weil die Probleme in Osteuropa ganz andere als im südlichen Afrika sind. Wir brauchen Ad-hoc-Beratungsgremien zu speziellen Themen wie Forstpolitik oder Umsiedlung mit unterschiedlichen NGOs mit der jeweiligen Expertise. Ich bin sehr frustriert über das Niveau des Dialogs. Ich war bisher zum Beispiel für Armutsbewertungen zuständig und habe mit NGOs wie Oxfam gearbeitet. Abends führten wir ideologische Debatten, aber die Gemeinsamkeit war, dass wir das Leben der Armen verbessern wollen. Daher sollten wir überlegen, was wir gemeinsam erreichen können.

Weltbankkritiker sagen, die Öffnung der Weltbank mache sie verwundbarer. Informationen werden gegen sie verwendet, Proteste nehmen zu.

Für mich ist die Bank umso stärker, je offener wir sind. Es wird aber immer Bereiche geben, wo wir vorsichtig sein müssen. Denn wenn uns Regierungen, die immer unsere Hauptpartner sind, nicht mehr für vertrauenswürdig halten, werden wir keinen Einfluss haben. Mich betrübt, dass es heute so viele Leute gibt, die sagen, die Weltbank sollte verschwinden. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit Offenheit zu tun. Denn viele von den Demonstranten verwendete Zahlen sind falsch. Offenheit kann helfen, dies zu korrigieren. Es gibt „gute“ Zahlen, und auch die „schlechten“ sollten veröffentlicht werden, damit sie besser gemacht werden können. Gestern forderte jemand die Streichung aller Schulden. Wenn das passiert, gibt es keine Bank mehr. Die internationale Gemeinschaft braucht aber eine Kreditinstitution, die sich um die Armut kümmert.

NGOs werfen der Weltbank vor, sie betreibe mit ihrem Dialog nur Public Relations.

Wir hören zu. Das ist daran zu sehen, dass die Weltbank heute eine andere ist als vor fünf oder zehn Jahren. Damals gab es nur wenige Projekte mit NGO-Beteiligung, heute ist dies bei den meisten Projekten zumindest in Teilen der Fall. Man muss aber auch feststellen, dass bei einer Konsultation hinterher nicht jeder glücklich sein kann. Irgendwann muss eine Entscheidung gefällt werden und die kann nicht jeden befriedigen.

Werden NGOs nicht missbraucht, wenn sie zwar konsultiert werden, aber bei Entscheidungen ausgeschlossen sind?

Sie könnten viel mehr involviert werden. NGOs in den Industrieländern könnten sich zum Beispiel viel mehr einmischen und effektiver Druck auf ihre Regierungen machen. Die Weltbank gehört nicht Herrn Wolfensohn, sondern den Menschen der Welt, die durch ihre Regierungen im Vorstand vertreten werden. Ich bin sehr frustriert, dass so wenig Druck auf die Regierungsvertreter ausgeübt wird.

   INTERVIEW: SVEN HANSEN
     UND MAIKE RADEMAKER