Dialog allein macht nicht satt

Während die NGOs gestern letzte Gespräche führten, zogen die Chefs von IWF und Weltbank, Köhler und Wolfensohn, Bilanz und verurteilten die Proteste

aus Prag MAIKE RADEMAKER

Die Beteiligten waren höflich, aber ehrlich zueinander. Weniger rhetorische Reden, mehr Schuldenerlass forderten Vertreter der Schuldenerlasskampagne Jubilee 2000 am Mittwochabend, ein wenig mehr Realismus und Verständnis für ihre Arbeit die Chefs von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank, Horst Köhler und James Wolfensohn. Es war das letzte öffentliche Treffen der ungleichen Partner bei der Jahrestagung in Prag und, wie Jürgen Kaiser von der deutschen Erlassjahrkampagne sagte, „nur die Spitze eines Eisberges“.

Tatsächlich haben sich NGOs und Vertreter von Bank und IWF dutzende Male in der vergangenen Woche getroffen: mit Bankexperten, Exekutivdirektoren, Ministern, Vizepräsidenten, zu öffentlichen Großveranstaltungen oder in kleinen Gruppen. Selbst am Dienstag, dem globalen Aktionstag, diskutierten die Lobbyisten, statt zu demonstrieren.

Das Ergebnis dieses „Durchbruchs beim Dialog“, wie Weltbank-Vize Mats Karlsson die Treffen bezeichnete, wurde gestern zum Abschluss der Tagung unterschiedlich bewertet. „In einzelnen Aspekten hatten wir durchaus überraschenden Erfolg, aber insgesamt nützt das Reden nichts, wenn sich nicht grundsätzlich etwas bei der Bank ändert“, fasste James Barnes von Freunde der Erde International (FoEI) die Stimmung zusammen.

So versprach Wolfensohn bei einer öffentlichen Diskussionsrunde, das Geschäft der Bank im Öl-, Gas- und Bergbausektor zu überprüfen. FoEI-Vertreter hatten gefordert, dass sich die Bank daraus zurückziehe, weil die Exploration extrem umweltschädlich sei. „Schon beim Treffen mit Experten der Bank am nächsten Tag war spürbar, dass Wolfensohn erste Schritte zu einer Überprüfung eingeleitet hat“, konstatierte Barnes. „Wir werden nun darauf drängen, dass sich die Bank aus den empfindlichsten Öko-Gebieten sofort zurückzieht“.

Bei einem anderen Gespräch hatten Mitarbeiter der International Finance Corporation (IFC), dem Privatarm der Bank, nach Angaben von NGO-Teilnehmern zugesichert, dass eine IFC-Mission zur Kumtor-Goldmine in Kirgisien geschickt würde. Der IFC hat die in 4.400 Meter Höhe gelegene Mine mit 40 Millionen US-Dollar mitfinanziert. Mehrere Unfälle in den letzten Jahren mit Zyanid haben Wasser und Boden stark verseucht, die Regierung hatte Beschwerden über Vergiftungen und Gesundheitsprobleme ignoriert.

Zufrieden sind die NGOs mit solchen Erfolgen nicht, als Durchbruch bezeichnet sie schon gar keiner. „Dass es einen verbesserten Dialog gibt – und den gibt es schon länger –, heißt nicht, dass es jetzt richtige Konsultationen oder bessere Projekte gibt“, warnte Barnes vor Gutgläubigkeit. Auch Heffa Schücking von der deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Urgewald, die seit über acht Jahren Gespräche mit Weltbankvertretern führt, äußerte sich zurückhaltend: „Neu war, dass jemand von außen, Václav Havel, beide Seiten einlud.“

Sowohl Bankvertretern als auch NGOs ist klar, dass die mediengerecht glitzernden und gemeinsamen Auftritte und Gespräche Praxis und Politik nur wenig beeinflussen und Teil einer beiden nutzenden PR-Politik sind. Gut sind sie vorzugsweise für politische Signale. Besonders Wolfensohn, der von konservativeren Kräften innerhalb der Bank für sein NGO-Engagement heftig kritisiert wird, zeigt gerne Flagge. Nachdem sich NGOs bei ihm beschwert hatten, dass über zehn Vertreter osteuropäischer Länder, darunter Georgier, Ukrainer und Russen, keinen Zutritt zum Kongressgebäude bekommen hatten, weil ihre Exekutivdirektoren das nicht wünschten, reagierte der Weltbankpräsident sofort und unkonventionell: Innerhalb von 24 Stunden wurden Tagesausweise ausgestellt.

So manch einem ist das „Gesülze“, wie es eine deutsche Teilnehmerin nannte, trotz solch demonstrativer NGO-Freundlichkeit zu viel: „Das ist das letzte Mal, dass ich an solchen Gesprächen teilnehme“, erklärte Dennis Brutus von Jubilee 2000 auf einer Podiumsdiskussion in Prag. Er war wütend darüber, dass sich Bank und IWF auf keine weitere Diskussion beim Schuldenerlass einlassen, die über die 1996 gestartete Initiative für die ärmsten Länder hinausgeht. Jubilee 2000 werde ab sofort in den USA in Universitäten, Schulen und Gewerkschaften dazu auffordern, keine Weltbankbonds mehr zu kaufen. Die Bonds sind wegen ihrer Sicherheit und ihrer Rendite dort eine beliebte Anlageform.

Während manche NGOs noch letzte Gespräche führten, zogen Köhler und Wolfensohn gestern Morgen eine positive Bilanz der Tagung und verurteilten scharf die gewaltsamen Proteste. Eine Demonstration mit 400 Leuten in der Prager Innenstadt wurde gestern gewaltsam aufgelöst, mehrere Demonstranten wurden verhaftet.

In der Diskussionsreihe „Auf derGalerie“ veranstalten dieHeinrich-Böll-Stiftung und die taz am3. Oktober 2000 um 19.30 Uhr einenJour fixe zum Thema: „Welche Reformfür IWF und Weltbank?“Ort: Heinrich-Böll-Stiftung,Rosenthaler Str. 40/41 in BerlinInfos: Tel.: 28 53 42 40E-Mail: richter@boell.de