■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Künstlerpech
Waren Sie schon bei „Jekyll & Hyde“? Ich meine, man sollte sich das Musical noch anschauen, schließlich weiß man nicht, wie lange es noch zu sehen ist. Diese Woche habe ich mit meiner Cousine aus Hannover telefoniert, und die ist ein richtiger Musical-Fan. „Kauf uns mal zwei Karten für Oktober, dann singt Steve Barton die Hauptrolle, und der ist echt super“, hat sie gesagt. „Ich weiß“, habe ich geantwortet, „da stand Mitte August so'n toller Text in der taz.“ Doch als ich die Karten kaufen wollte, erfuhr ich, dass Bartons Bremer Premiere wegen einer Erkrankung auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
„Künstlerpech“, sagte ich zu meiner Cousine, doch sie unterbrach mich. Sie hat nämlich auf der Homepage des Musicals (www.jekyll-hyde.de) nachgeguckt. „Und da hat mich etwas stutzig gemacht“, sagte sie. Da stand in einer Meldung über die Neubesetzungen im Ensemble, dass Bartons Vorgänger Ethan Freeman wegen der Erkrankung des neuen Jekyll/Hyde eine Zusatzvorstellung am 30. September gibt. Unter der Meldung stand folgender Satz: „Umbuchungen sind ab dem 16. August möglich.“
Ich begriff nicht gleich, was daran so bemerkenswert ist, doch meine Cousine erklärte es mir: „Wenn man darauf hinweist, dass Umbuchungen ab 16. August möglich sind, dann muss die Meldung ein paar Tage älter sein.“ Stimmt, sagte ich. „Hast du nicht erzählt, dass das Musicalthea-ter Barton Mitte August als Nachfolger von Freeman präsentiert hat?“ Ja. Mir ging ein Licht auf. „Das bedeutet: Die wussten schon, dass Barton krank ist, als sie ihn bei der Pressekonferenz vorgestellt haben.“
Das wäre ein echter Hammer. Bremen ist nämlich unter Musicalfans in aller Munde, seit klar ist, dass Barton hier auftritt. Während Freeman vor seinem Antritt in Bremen noch auf dem Sprung zur Weltkarriere stand, hat Barton schon jetzt den Ruf, ein Weltstar zu sein. Die Pressekonferenz fand zu der Zeit statt, als das Theater ohne staatliche Hilfen Konkurs hätte anmelden müssen. Da brauchte „Jekyll & Hyde“ auch mal positive Schlagzeilen. „Ich glaube“, sagte meine Cousine, „die haben Barton nur dafür angeheuert – das nennt man gutes Marketing.“ So dreist können die gar nicht sein, antwortete ich. Die können doch nicht Barton präsentieren und auf der Homepage schreiben, dass er erkrankt ist. „Ich glaube“, sagte sie, „Barton wird nie in Bremen auftreten. Wenn doch, dann bezahle ich die Karten. Und wenn nicht, lädst du mich ins Kröpcke in Hannover ein.“
Verwandte können ganz schön misstrauisch sein, findet
Ihre Rosi Roland
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