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Blut auf der Straße

Die Düsseldorfer Künstlerin Katharina Grosse löst, mit Sprühpistole und Farbfeldtheorie bewaffnet, Formen auf

Als ich Katharina Grosse in ihrem Atelier in Düsseldorf besuche, streicht sie auf einer kleinen Pappscheibe langsam mit einem schmalen Pinsel einige Bahnen eines zarten Kupfers über den Untergrund aus grellen Zügen in Pink. „Mich interessiert die Vieldeutigkeit der Farbe, eines bestimmten Tons, der zugleich Eigenschaften von Farbe als auch von Material besitzt. Dieser Kupferton erinnert ebenso an Holz wie an Metall“, erklärt sie zu ihrer Arbeit, einer Studie für ihr monumentales Werk für die Ausstellung im Hamburger Bahnhof.

Hier bricht Grosse den streng geometrischen Hallenraum durch einen schräg eingesetzten Winkel auf, dessen Schenkel 12,50 und 14,50 Meter lang sind. In der Arbeit fallen verschiedene Strategien zusammen – ist sie doch ebenso Tafelbild wie Raumarbeit; eine Seite bemalt, die andere besprüht.

„Während eines Aufenthalts in Marseille habe ich mit der Airbrushpistole eines Künstlerkollegen herumexperimentiert. Auf ein Stück Aquarellbütten habe ich vorsichtig einen feinen, gelben Nebel gesprüht. Ich habe zwar sofort wieder damit aufgehört, weil mir das zu unangenehm wurde – unter der Atemmaske, der Kompressor extrem laut –, aber mein Interesse war geweckt“, erzählt Grosse. Das war 1991. Die Malerei Katharina Grosses hat sich dadurch verändert, sie ist sehr viel freier geworden.

Nach frühen gegenständlichen Arbeiten, die die zunächst bei Brus und Tadeusz in Münster, dann in Düsseldorf bei Graubner ausgebildete Malerin rasch einengend empfand, wandte sie sich der Farbfeldmalerei zu. Das Experimentieren mit den Möglichkeiten des Pinselstrichs stand zunächst im Vordergrund. Dabei dachte sie in ihren Arbeiten stets die Beziehung von Bild und Raum mit und definierte sie neu, bis zur Auflösung der Grenze, hin zu einem universellen Bildraum, in dem der Farbe alle Definitionsmacht zukommt.

In jüngster Zeit werden die gepinselten Farbflächen von sanften Sprühnebeln verunklart, verschwinden Pinselstriche im leuchtenden Dunst, löst sich die Form im plötzlich aufstrahlenden oder dumpf sich eintrübenden Farbfleck auf. Oder aber die Farbe setzt sich – so in den ganz aktuellen Arbeiten – wie ein Virus auf Wänden fest, infiziert sie. In diesen Raumarbeiten setzt sich die Farbe scheinbar unkontrolliert über architektonische Ordnungen hinweg.

Neben ihrem Interesse an der Materialität und Selbstreferentialität der Farbe lotet die 1961 geborene Künstlerin vor allem den physischen Prozess des Malens aus, die Interaktion mit dem Bild. Das Einswerden mit dem Prozess, mit dem Wachsen, Wuchern und Implodieren der Farbe ist das eigentliche Ereignis, an dem jeder Betrachter im Nachhinein auf grundsätzlich andere Weise teilhaben kann. „Das ist wie die Blutlache, die nach einem Unfall auf der Straße zurückbleibt und sagt: Hier hat etwas stattgefunden“, erläutert Grosse.

Die Künstlerin, die ab Oktober an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee unterrichten wird, weiß ihre Nominierung für den „Preis der Nationagalerie“ durchaus zu schätzen. Nur mit der Bezeichnung hat sie Probleme: „Es ist schade, dass versäumt wurde, die finanzielle privatwirtschaftliche Anstrengung, die für diesen Preis unternommen worden ist, durch einen Namen zu würdigen. Ich hätte mir vorstellen können, dass der Preis etwa nach einem alten Berliner Mäzen benannt wird.“

MAGDALENA KRÖNER

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