Atomfabrik bleibt

Entscheidung über Export der Hanauer Plutoniumanlage nach Russland fällt wohl erst nächstes Jahr. Regierung will die MOX-Fabrik nicht kaufen

aus Frankfurt am Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die ganz schnelle Mark wird die Siemens AG mit der Nuklearfabrik in Hanau wohl nicht mehr machen können. Es geht um den Export der stillgelegten Anlage zur Produktion von Mischoxid-Brennelementen aus Plutonium und Uran (MOX). Blockaden überall. Und Streit zwischen der Siemens AG und der Bundesregierung darüber, wer am Ende die Rechnung für den Export der Anlage nach Russland bezahlt, in der einmal Plutonium aus Raketensprengköpfen zu MOX-Brennelementen für den Einsatz in AKWs verarbeitet werden soll.

Für die Siemens AG ist die Bundesregierung der „Käufer“ und der Exporteur. Im Zusammenhang mit den Abrüstungsvereinbarungen zwischen den USA und Russland hätten sich der Kanzler und sein Außenminister verpflichtet, sich an der Umsetzung dieser Vereinbarungen zu beteiligen. Und wer bestelle, der habe auch zu bezahlen.

Für die Bundesregierung dagegen ist die Siemens AG die „Verkäuferin“ der Anlage und das Unternehmen deshalb auch der Exporteur. Noch nicht einmal mit einer Bürgschaft will die Bundesregierung den „Verkauf“ der Anlage an Russland und ihren Export in den Ural (zum ehemaligen Atomkombinat Majak) absichern. Man werde einem entsprechenden Antrag auf Exportgenehmigung zwar nicht die Zustimmung versagen, hieß es gestern im Wirtschaftsministerium. Aber „abkaufen“ werde die Bundesregierung der Siemens AG die MOX-Fabrik ganz bestimmt nicht. Geld fließen werde nur für die Weiterentwicklung der Verglasungstechnik und für den Bau eines Endlagers in Russland, so eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes zur taz.

Die endgültige Entscheidung darüber, ob die Siemens AG die zur Demontage bereitstehende Anlage überhaupt für 165 Millionen Mark an Russland wird „verkaufen“ können, fällt wohl erst auf dem nächsten G7/G8-Gipfel im Sommer 2001. Es sei nämlich durchaus vorstellbar, dass die internationale Staatengemeinschaft die Anlage kaufe und den Export finanziere, sagte der Projektleiter „Rückbau“ der Siemens AG in Hanau, Helmut Rupar. Gedacht sei an die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung aller vereinbarten Abrüstungsmaßnahmen. An dem allerdings wird sich dann auch Deutschland angemessen beteiligen müssen.

Die Bundesregierung jedenfalls hat die Ampel für die Siemens AG erst einmal nur auf Gelb geschaltet. Eine Voranfrage im Zusammenhang mit dem Export wurde vor wenigen Tagen vom Wirtschaftsministerium positiv beschieden. Mehr nicht. Siemens wartet weiter.

Der Unterhalt der Atomfabrik in Hanau kostet den Konzern rund 2 Millionen Mark im Jahr. Mehr als 1 Milliarde Mark hatte Siemens schon investiert, als die an der Finanzierung beteiligten Stromkonzerne 1995 aus dem Projekt ausstiegen, weil sie nicht mehr an seine Realisierung glaubten. Der hessische Umweltminister Joschka Fischer hatte zuvor alle Anträge auf Betriebsgenehmigung erfolgreich abgeblockt.

Zeit haben auch die Gegner des Projekts gewonnen: Greenpeace etwa; oder der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und der BUND. Die Umweltschützer haben in dieser Woche in einem offenen Brief an Wirtschaftsminister Müller appelliert, einen eventuellen Exportantrag von Siemens nicht zu genehmigen. Die Zustände im russischen Atomkomplex Majak bei Tscheljabinsk seien fürchterlich. Auch würden die Laufzeiten russischer und vielleicht auch westeuropäischer AKWs durch die „MOX-Option“ verlängert, monierte BBU-Vorstandsmitglied Eduard Bernhard.