Weich gespülte Zeichen

Kooperation statt Konkurrenz: Das Designkaufhaus „stilwerk“ hebt soziale Unterschiede im Markenbewusstsein auf. Freundlich präsentiert die Kundschaft ihr Zu-Geld-Gekommensein

von CHRISTOPH BRAUN

Auf der Kantstraße in Charlottenburg fällt der Schriftzug schon von weitem auf. „stilwerk“ steht da durchgängig in kleinen, aber weiter auseinander stehenden Lettern, die rot von der Fassade herüberleuchten. Der nächste Blick auf den bald ein Jahr alten Bau fällt auf den Eingang: Dieser ist von der Straße durch zwei unterschiedlich vorgewölbte Etagen geschützt.

Im Eingangsbereich steht ein Wasserbecken, in dem es von smart-poppigen, auf Stangen montierten Täfelchen nur so wimmelt. So weist das Designkaufhaus Stilwerk auf seine Produktpalette hin, da steht einfach nur ganz schlicht „Tisch“ drauf, oder „Teppich“, oder „Vase“. Im Firmeninfo stellt sich das so dar: „Im stilwerk versammeln sich fast alle namhaften Inneneinrichter und Designkollektionen unter einem Dach. Basierend auf dem Konzept ‚Kooperation statt Konkurrenz‘ finden sie in mehr als 50 Geschäften auf 19.000 qm alles zum Thema Wohnen, Einrichten und Design.“

Kooperation statt Konkurrenz! Wirtschaft in Perwoll getaucht! Pop statt Gediegenheit! Kleine, feine Geschäfte statt großes Warendurcheinander: Die ganze Art, mit der im Stilwerk ein Markenbewusstsein geschaffen wird, erinnert an die Protagonisten des Neuen Marktes, die Sneakers zu Kostüm oder Anzug tragen und damit versuchen, soziale Unterschiede mittels weicher Zeichen aus der Freizeit abzumildern.

Beim Flanieren durch das Stilwerk stellt sich schnell der Eindruck ein, dass außer dem Design der Marke Stilwerk hier sonst nur wenig zusammenpasst – Architektur ist etwas anderes als dieser Ort. Man ist hier drinnen völlig abgeschlossen von der Außenwelt. Es ist dunkel. Lediglich eine Treppe führt nach oben und am anderen hinteren Ende des Hauses noch die Fahrstühle. Zum Verweilen ein paar Alibi-Bänkchen und ein Restaurant. Als akustische Untermalung läuft Jazzrock in einer Lautstärke, die man gerade noch wahrnehmen kann, was die Leere nur verstärkt.

Wenigstens von oben fällt Licht ein, und um der sich langsam breit machenden Platzangst zu entkommen, möchte man nur schnell in den fünften Stock, hin zum Hellen, mit dem Fahrstuhl (natürlich aus Glas) und natürlich mit Musik. Der Blick über Charlottenburg kann sich sehen lassen: die Hardenbergstraße, der Zoo, ja die ganze Welt. Die Holzterrasse in verblichenem Braun verspricht Luft. Doch nach wenigen Schritten in Richtung Terrassentür folgt schon wieder die Ernüchterung: „Die Terrasse ist privat, wir bitten um ihr Verständnis.“

Zurück im Haus geht es dann in die verschiedenene Shops, aus denen das Stilwerk besteht. Objekte des 20. Jahrhunderts und minimalistische Möbel werden angeboten, und auch der Ökoladen „Grüne Erde“ ist vertreten und verkauft sein Ökofood. Dass die feinen Unterschiede im Auftritt zwar softer geworden, aber in ihrer Materialität erhalten geblieben sind, ist leicht zu erkennen. Wenn ein Sessel zum Beispiel 5.000 Mark kostet und damit nicht mal zu den Spitzenprodukten zählt.

Die wenigen BesucherInnen in den Geschäften – gegen 12 Uhr mittags vor allem jüngere Frauen mit ihren Müttern und junge Frauen mit kleinen Kindern – tragen mitunter Kostüm, meist aber Jeans (Preisklasse Joop!) und Kopftuch (Esprit bis Hermès). Freundlich präsentiert man sich und sein Zu-Geld-Gekommensein.

Das Stilwerk ist kein Marktplatz mit vielfältigen Ein- und Ausgängen. Also nichts für Leute, die nur mal zum Schauen gekommen sind. Dem Stilwerk geht es um leise Exklusivität. Es dichtet eine Sphäre des neuen Wohlstands und immerwährenden Anstands hermetisch ab.