hör-standbild: Multimediales Event-Radio
Die Fritz-Waldländer (Sa. – Mo., ORB und Radio Fritz)
Ob „Inselduell“ oder Überleben im Container – Survival-Games haben Hochkonjunktur. Und so schickte das ORB-Jugendradio Fritz am vergangenen Wochenende fünf HörerInnen in den tiefen Brandenburger Wald. „Ohne Handy, ohne Freunde, ohne Supermarkt“ mussten die„Waldländer“ 72 Stunden lang – überleben.
So ganz alleine waren sie dabei natürlich nicht: Ständig waren Fritz-Reporter und Kameraleute dabei – denn das Ganze wurde nicht nur die vollen 72 Stunden lang live im Radio übertragen, die Highlights liefen nachts im ORB-Fernsehen, und auch die Fritz-Homepage wurde komplett umgestaltet und ständig mit Livestreams aus der Webcam gefüttert. Dort war dann zu sehen, wie die Waldländer Würmer gegen den Hunger aßen oder versuchten, aus dem See Trinkwasser zu filtern. Nach einem nicht wirklich zu durchblickenden System konnten Punkte gemacht werden, zu gewinnen gab’s eine Reise „in die Sonne“ zu gewinnen. Und statt der fiesen Nominierungen à la „Big Brother“ galt für die moderne „Fünf Freunde“-Version natürlich hübsch öffentlich-rechtlich das Motto: „Nur gemeinsam sind wir stark“ – und nur dank der Hörer, die ständig per Telefon tolle Tipps gaben, wie man die Uhrzeit an den Sternen abliest, Landkarten nordet oder ohne Streichhölzer Feuer macht. Eigentlich komisch, dass das Ganze nicht vom Deutschen Pfadfinderverein gesponsert wurde ...
Hätte man die Kandidaten nicht im Fernsehen oder Internet sehen können, wären die permanenten Live-Reportagen im Radio mit der haarkleinen Berichterstattung über die Gefühlsschwankungen der Waldländer nur der halbe Spaß gewesen. Das trimediale Fritz-Waldländer-Konzept war also ein voller Erfolg – gerade wenn man es mit den sonstigen öffentlich-rechtlichen Jugendradios in Deutschland vergleicht, die entweder die langweilig-konventionelle Popschiene fahren oder superprivates Techno-Gedöns versenden. Auch wenn es originell ist, wird Fritz immer mehr das bis zur Perfektion getriebene Ereignisradio, bei dem sich alles Programmlich-Inhaltliche nur noch um das selbstinszenierte, eigentlich belanglose Event und somit um sich selbst dreht. Aber das kommt schließlich an. SILVIA LANGE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen