„Liebe taz...“ In der Regel haben Männer die Macht

Betr.: „Der Rosenkrieg ums Kind“, taz Bremen, 30. 9.2000

Was soll dieser tendenziöse, einseitig parteiergreifende Beitrag bewirken? Bestimmt ermutigt er mich nicht, trotz bundesweiter Kampagne und allmorgendlichen Überlegungen die taz jetzt wirklich zu abonnieren ...

„Ein Vater will Verantwortung für seine kleine Tochter übernehmen und darf nicht.“ Warum sollte er? Den Einzelfall kenne ich nicht, aber wie in dem Artikel immerhin angeklungen, übernehmen nach wie vor 98 Prozent der Mütter von Kleinkindern deren Betreuung und Versorgung. Und nehmen dabei in der Regel große finanzielle Einbußen, bis hin zur späteren Rentenversicherung, in Kauf. Warum das so ist, sei dahingestellt, im Moment ist das einfach gesellschaftliche Realität, beziehungsweise vielleicht auch, trotz hitziger Debatten in den letzten Jahrzehnten, beider Wille. Immer mehr Frauen wagen trotz finanzieller Engpässe und anderen Sorgen den Schritt zur Trennung, weil sie die Lebensumstände und oft auch Gewalttätigkeiten innerhalb der Ehe oder Beziehung nicht mehr leben wollen. Und da laufen die verlassenen Männer Amok.

In der Regel geht es bei diesen Amokläufen gar nicht ums Kind, sondern um das Gefühl: Ich habe verloren ... Ich bin verlassen worden und jetzt nimmt sie mir auch noch das Kind und will Geld! Dabei geht jeder Realitätsbezug verloren, zum Beispiel dazu, was es bedeutet ein Kind Tag für Tag zu versorgen – von Vollkornspaghetti bis Elmex-Zahnpasta und Zahnspange und Kosten, seine Lebenswelt zu pflegen und dessen Sorgen zu teilen. Es geht um Macht!

In der Regel haben Männer die Macht! Bis zum Eintreten des neuen Kindschaftsrechtes, was ja in großartiger Allianz von CDU-Politikern und Szene-Vätern durchgesetzt wurde, gab es einen neuralgischen Punkt im Machtgefüge: Das Sorgerecht erhielt nach der Trennung in der Regel die Mutter (obwohl auch diese Rechtsprechung relativ neu ist – noch in den 50er Jahren konnten uneheliche Mütter nichts ohne den amtlichen Vormund ihres Kindes entscheiden).

Das neue Kindschaftsrecht ist mehr als wischi-waschi. Und wird deshalb ja nicht nur, wie in dem Artikel erwähnt, von der Zentralstelle der Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, sondern auch vom VAMV – Verband Alleinerziehender Mütter und Väter – abgelehnt. So öffnet es Tür und Tor für die erwähnten Machtkämpfe. Dabei geht es selten um die Bedürfnisse der Kinder. Die große Mehrzahl aller getrennt lebenden Mütter achtet das Besuchsrecht ihrer Kinder und freut sich sogar über die „freien“ Wochenenden. Aber die Väter können nicht akzeptieren, dass sie einfach einmal nicht das Sagen haben. Und dann werden schlimmstenfalls Gerichtsprozesse angezettelt, Psychoterror ausgeübt und Erpressungsversuche unternommen. Das nennt man dann justizrechtlich seit neustem Beziehungsgewalt!

Sicher gibt es Fälle, in denen das Kind mit Sicherheit besser beim Vater aufgehoben ist oder Situationen, wo die Mutter selbst entscheidet: Das Kind soll beim Vater leben. Das ist dann aber nicht so spektakulär und medienwirksam! Aber wenn, wie in dem Artikel anklingt, versucht wird ein neun Monate altes Kind, wo die intensive Beziehung zur Mutter noch durch die Erfahrung der Schwangerschaft und Stillzeit besteht, von der Mutter zu trennen, liegt der Verdacht auf Machtkampf schon sehr nahe. Was tut der Vater seiner Tochter mit jeder weiteren Instanz an? (Alles vor dem Hintergrund, dass wir davon ausgehen können, dass das Kind bei der Mutter gut versorgt ist.)

Ich ärgere mich sowohl auf Grund eigener Erfahrungen als allein erziehende Mutter, aber auch auf der Basis meiner Berufserfahrung in der Beratung von Müttern.

Die „neuen“ Väter brauchen scheinbar den – nicht selten unsachlichen – Beistand der Medien und zynischerweise den der taz bremen sogar auf der Frauenseite. In wie vielen Fällen geht die Rechtsprechung eindeutig gegen die Rechte der Frauen? Und wie viel Lobby haben sie dann in den Medien?

Wäre da ein ähnlicher Presserummel für Frauen und Kinder mit Gewalterfahrung mit eben diesen Männern denkbar? Vielleicht in der taz? Heimke Lüers